Im Keller brennt schon Licht / Der Berliner FMP-Jazz-Produzent Jost Gebers (1940–2023)

20.09.2023NewsZeit OnlineUlrich Stock —   –  Details

Jost Gebers

Dunkel die Erinnerung an einen Besuch in den 1980er-Jahren in jenem Jugendfreizeitheim in Berlin-Charlottenburg, das der Sozialarbeiter Jost Gebers leitete, was ihm ermöglichte, im Keller ein Tonstudio einzurichten, das nicht primär der Jugendarbeit diente. — Sein Dienst an den Halbwüchsigen ging von nachmittags um zwei bis in den späten Abend. Morgens und mittags empfing er europäische Free-Jazz-Größen zu Plattenaufnahmen in dem fensterlosen Raum, und jetzt – in dem Moment, da ich diese Zeilen schreibe – dreht sich eine dort entstandene Platte auf dem Teller, Alexander von Schlippenbach: Piano Solo. Schnelle, spitze, spritzige, spritzende Klavierläufe, frei, verwegen, strahlend, hell. Eine Free Music Production aus dem Jahr 1977. So wuchs das Drei-Buchstaben-Label FMP aus «Berlin (West)», wie es auf den Plattenhüllen hieß, zur Weltbekanntheit heran. — Gebers, der seine Mimik hinter einem strubbeligen Vollbart und einer dunklen Tropfenbrille versteckte, galt Außenstehenden als mürrisch. Musste er wohl auch sein, weil jeder, der was vom freien Jazz verstand, gern bei ihm ein Album herausgebracht hätte. Und das ging ja nun mal nicht. Das Geld war immer knapp; er schoss von seinem Sozialarbeitersold noch eigenes hinzu. Selbst die Weltberühmtheit vermochte die Schatulle des Berliner Kultursenats nur gelegentlich zu öffnen. — Als er 2003 in den Ruhestand ging, zog er sich mit seiner Frau nach Borken in Westfalen zurück, das eigene Erbe verwaltend. Am vergangenen Freitag starb er in einem Borkener Hospiz.

 
 

SK-reko-23