24.09.2023 – Milestones – Ö1 – Michael Neuhauser — – Details
George Gershwin
George Gershwins fabelhafte Karriere als Komponist, Songschreiber und Pianist ist untrennbar mit der Technologie der «Notenrollen» und «Pianolas» verbunden, also der selbstspielenden Klaviere, die in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig waren – in Wohnungen, Konzertsälen, Restaurants, Saloons und Geschäften. — Seine ersten pianistischen Fähigkeiten erlernte Gershwin als Kind, indem er seine Hände auf die Tastatur eines solchen Pianolas legte und seine Finger von den sich selbst bewegenden Tasten führen ließ. Als Jugendlicher erhielt er dann einen Job beim großen Verlagshaus Remick in der New Yorker Tin Pan Alley, wo er potenziellen Kunden die neuesten Stücke vorspielte. Da hatte der weiße Gershwin bereits einen pianistischen Ausdruck und eine ausgefeilte Technik, die auch afroamerikanische Klavier-Größen wie Eubie Blake, Luckey Roberts oder James P. Johnson beeindruckten. — Das machte ihn nun selbst zu einem idealen Kandidaten für die Herstellung von Notenrollen, was ihm ein lukratives Nebeneinkommen bescherte. Gershwin war auch ein Meister darin, durch mehrmaliges Bespielen der Rollen, also sogenannte Overdubs, den Stücken üppige und sehr beeindruckende Arrangements angedeihen zu lassen, die für einen einzelnen Pianisten gar nicht spielbar gewesen wären. — Ende der 1920er Jahre kam mit der Weltwirtschaftskrise die Pianola-Industrie mehr oder minder zum Erliegen. Aber glücklicherweise fallen die Jahre, in denen Gershwin Notenrollen herstellte, genau in deren Blütezeit; von den etwa 130 Rollen, die er schuf, wurde die erste 1916, die letzte 1927 veröffentlicht. Gershwins Arbeit als Vorspieler und Begleiter sowie Hersteller von Notenrollen brachte ihn in qualitativ wie quantitativ intensiven Kontakt mit einer Überfülle an Werken anderer, was sicher auch großen Einfluss auf seine eigene Komponierkunst hatte. Neben Auftragswerken bannte er von Anfang an immer wieder auch eigene Stücke auf Notenrollen, von seinem allerersten veröffentlichten Werk überhaupt – «When You Want ›Em You Can›t Get ›Em» (1916) – bis hin zu seinem Meisterwerk «Rhapsody in Blue», das er in zwei Teilen 1925 und 1927 einspielte. — 1993 wurden für das Label Elektra Nonesuch zwölf von Gershwins Pianorollen digitalisiert, auf einem computergesteuerten Player-Konzertflügel, dem Yamaha Disklavier, abgespielt, mit Mikrophonen aufgenommen und auf CD veröffentlicht. Dass die digitalisierten Files dabei zum Teil auch dynamisch weiterbearbeitet wurden, quittierten manche Puristen damals mit Kritik, es schmälert aber nicht die Faszination, dem alten Meister bei seinem eigenen Klavierspiel in bester Aufnahmequalität zuhören zu können. Zum 125. Geburtstag von George Gershwin am 26. September sei der Meister auf diese Weise vor den Vorhang gebeten.
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