Russin in Kiew / Da wusste ich: Ich muss weg

23.08.2023NewsZeit OnlineMarina Klimchuk —   –  Details

Zoya Nowikowa

Zoya Nowikowa ist Russin und lebt in Kiew. Seit der Krieg begann, steht sie den Menschen dort bei. Jetzt merkt sie: Sie kann nicht mehr – und plant einen Neuanfang. — Seit dem 24. Februar 2022 haben mein Mann und ich als Freiwillige geschuftet. Wir spendeten regelmäßig Geld an die ukrainische Armee oder versorgten Binnenflüchtlinge in Kiew. Ich verspürte die ganze Zeit den Drang zu helfen, und tatsächlich haben wir viel geschafft. Aber alles lief mechanisch ab. Erst jetzt, nach anderthalb Jahren, begreife ich: Alle in der Ukraine sind erschöpft, ich bin es auch. Und noch etwas verstehe ich: Mein Leben ist meins, und nur ich verfüge darüber.

Ich lebe seit 2008 in Kiew und arbeite hier als Osteopathin und Psychotherapeutin. Nach dem Studium kam ich aus Moskau. Als der Krieg begann, hatte ich eine Riesenangst wegen meiner Staatsangehörigkeit. Ich bin Russin und fürchtete, man würde denken, ich gehöre zur Gegenseite. Aber alle in meiner Umgebung wissen Bescheid, und die Reaktionen waren klar solidarisch: «Du bist unsere Zoya!»

Jeden Morgen meditiere ich. Neulich sah ich mich dabei selbst am Meer sitzen. Da wusste ich: Ich muss weg, vielleicht für immer. Im Oktober werde ich mit meinen zwei Kindern und unserem Hund nach Alicante in Spanien ziehen. Dort lebt eine Freundin von mir. Ich will mich ausruhen, einfach mal nur ein Glas Wein trinken. Und mich nicht schämen müssen für meine Nationalität. (…)

 
 

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