Stay as sick as you are: Eine Therapiestunde mit Katie Lee

05.08.2023le week-endÖ1Elke Tschaikner und Christian Scheib —   –  Details

Tschaikner / Scheib

Paartherapie – zu zweit geht nur zu dritt

Das Leben als Bett voller Neurosen: Die erste Analyse in einer Sendung, die an Psychoanalysen nicht arm sein wird. Die Ergänzung zu «Life is Just A Bed Of Neuroses» heißt ja, wie Katie Lee postuliert, «Life is just a couch of confession». — Vaterfiguren, Töchter, Prinzen: Klassischer kann die Grundkonstellation nicht sein. Seit Jahrtausenden erlebt, seit Freud eine Wissenschaft und für alle Künstler immer schon ein gefundenes Fressen. Insbesonders für geniale Rampensäue wie Giuseppe Verdi. Die Ingredienzien: Eine zum Hysterischen neigende Tochter namens Johanna von Orleans, ein neurotisch verklemmter Vater und ein vorgeblich strahlender Prinz, der schon als König gehandelt wird. Und Verdi gönnt diesen Dreien ein unbegleitetes Terzett, in dem allerdings jeder nur von sich selbst spricht. Psychoanalyse avant la lettre in Guiseppe Verdis Oper «Giovanna d›Arco». — Die Sängerin Katie Lee formuliert es auf ihre Weise: «A loves B loves C». Dazu eine Fallstudie: Dreizehn Jahre lang sind Clara und Robert Schumann verheiratet, als sie Besuch bekommen. Von einem 20jährigen, noch unbekannten Künstler. In seiner Neuen Zeitschrift für Musik schreibt Schumann: «Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: Das ist ein Berufener.» Auch Clara Schumann ist angetan. Zwischen ihr und Brahms entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Später dann möglicherweise eine Liebschaft. Johannes schreibt an die verheiratete Clara: «Ich schreibe dieser Tage den ersten Satz des Concertes ins Reine. Auch male ich an einem sanften Portrait von Dir, das dann das Adagio werden soll.»

Von wegen Vaterfiguren: Unzählbare Lieben sind genau daran gescheitert: «My heart belongs to Daddy». Franz Koglmanns Pipetet mit unter anderem Tony Coe, Saxophon, und Peter Herbert, Kontrabass, erkunden den Vaterkomplex inn all seiner Widersprüchlichkeit. «My heart belongs to Daddy»: Im Jahr 1938 ausgesprochen von Cole Porter, im Jahr 2004 instrumental analysiert von Franz Koglmann und seinem Pipetet. — Im Jahr 1957 wendet ein gewieftes Trio eine andere künstlerische Technik an, um den Neurosen auf die Spur zu kommen. Dazu legt sich die Sängerin Katie Lee gemeinsam mit dem Texter Bud Freeman und dem Komponisten Leon Pober auf die Freud›sche Couch. Dort erfinden die Drei vermeintlich liebliche und unschuldige Songs, maßgeschneidert für die biedermeierlichen 50er Jahre. Doch Achtung: Die messerscharfen Texte durchschneiden die Idylle. — Ein le week-end als Paartherapie. Oder: Zu zweit geht nur zu dritt. Wir spulen ein paar Jahrhunderte zurück und betrachten die Geschichte mal weniger beziehungstechnisch oder psychoanalytisch, als praxisnahe. Der Komponist Giovanni Paolo Cima – wir befinden uns im angehenden italienischen Barock – schreibt eine «Sonate per Il Violino». Das klingt harmloser, als es ist. Expressive Musik für ein Soloinstrument zu schreiben, das war soeben erst erfunden worden, das galt als der neueste Schrei, und man nannte es auch selbstbewusst «in stile moderno». Aber ein Stück für Soloinstrument heißt in dem Fall trotzdem, der Komponist schreibt die Solostimme und eine dazugehörige Basstimme. Also ein Stück für Zwei. Violine und – in diesem Fall – Theorbe. Aber in der Aufführungspraxis spielt da auch noch ein Dritter mit, die Harmonien beisteuernd. Eine Solosonate als paradoxers Beweisstück für «Zu zweit geht nur zu Dritt». Andrew Manze, Nigel North und John Toll spielen Giovanni Paolo Cima.. — Und zuletzt lüften wir auch noch das letzte Geheimnis, eine versteckte Dreiecksbeziehung kommt ans Tageslicht. Edward Elgar hält sie – nach dem Motto «hiding in the light» – zwar geheim aber öffentlich versteckt. Die 13. seiner Enigma Variationen trägt den Titel Romanza dazu myteriös drei in Klammer gesetzte Sternchen. Zu zweit geht nur zu dritt: Um einer Frau, die zur Zeit der Komposition gerade auf einer Schiffsreise nach Australien unterwegs ist, eine Botschaft zu schicken, braucht Elgar die Hilfe eines dritten und findet ihn in Felix Mendelssohn-Bartholdy. Die Klarinette spielt ein Zitat aus Mendelssohns «Meeresstille und glückliche Fahrt.» und erst so wird die romantische Grußbotschaft in der Romanza zweideutig eindeutig. Leonard Bernstein und das BBC Symphony Orchestra schicken die Message los. Von Herrn Elgar an Lady Mary Lygon versehen mit einer kleinen Klarinetten-Hilfestellung von Herrn Mendelssohn. — Aber am Ende müssen wir feststellen, dass die These der hilfreichen Paartherapie möglicherweise grundfalsch ist. Katie Lee behauptet gar, dass nichts Schlimmeres passieren könne, als dass ein Cleverer Dritter sich in ihre Beziehung einmischt. Niemals soll ihr neurotischer Liebster einen Therapeuten sehen, denn sie liebt ihn genauso so, wie er ist. So please: «Stay as sick as you are».

 
 

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