Aus der Zeit gefallen. Das lange, gute Leben des Tony Bennett (1926-2023) – In memoriam T.B.

25.07.2023SpielräumeÖ1Johann Kneihs —   –  Details

Tony Bennett

Aus der Zeit gefallen. Das lange, gute Leben des Tony Bennett (1926-2023). — Er war der Inbegriff des Crooners – des Sängers, der im Seidenanzug mit halblauter, sanfter Stimme Swing-Balladen vorträgt – vorzugsweise romantischen Inhalts, imaginiert intim. Eine hoffnungslos altmodische Kunst der Song-Interpretation also – Tony Bennett ist ihr treu geblieben, bis sie wieder aktuell war, und er geradezu Kult. Ein phänomenales Comeback führte ihn im hohen Alter zu Duetten mit namhafter Pop-Prominenz: Elton John, Stevie Wonder, Céline Dion, Paul McCartney, George Michael, Sting, Bono, k.d. lang, Elvis Costello Amy Winehouse machte ihre letzte Aufnahme mit ihm; er seine finalen Alben mit Diana Krall, davor und ganz zuletzt mit Lady Gaga. — Tony Bennett wurde damit zu einem Verkünder des «Great American Songbook» für jüngere Generationen, der klassischen Songs aus den Federn eines George Gershwin, Cole Porter, Jerome Kern, Irving Berlin oder Duke Ellington. Lange stand er dabei – zu dessen Lebzeiten – im großen Schatten seines Vorbilds Frank Sinatra. Der für den zehn Jahre Jüngeren höchste Worte fand: «Nach meinem Dafürhalten ist Tony Bennett der beste Sänger in der Branche. Er begeistert mich, wenn ich ihn sehe, er berührt mich. Er ist der Sänger, der vermitteln kann, was der Komponist im Sinn hatte, und wahrscheinlich sogar mehr», sagte Sinatra 1965 der Zeitschrift Life. — «Rags to Riches», wie einer seiner Hits hieß, dieses Motto konnte auch für das Leben von Tony Bennet stehen, geboren als Anthony Dominick Benedetto. Sein Vater, als Kind aus Kalabrien eingewandert, war Obst- und Gemüsehändler im Stadtteil Astoria in Queens und starb, als sein Sohn zehn Jahre alt war. Seine Mutter, ebenfalls aus italienischer Familie, hielt die Familie als Näherin über Wasser. Der Bub malte, besuchte kurz eine Kunstschule und sang – als er gerade begann, damit Geld zu verdienen, wurde er eingezogen, nahm mit 18 Jahren am Zweiten Weltkrieg («ein Sitz in der ersten Reihe der Hölle») und an der Befreiung des KZ Landsberg teil. — In die USA zurückgekehrt, nahm seine Karriere als Sänger Fahrt auf. Seine ersten Nummer-eins-Hits kamen 1951 (gleich doppelt: «Because of You» und «Cold, Cold Heart»), der große Durchbruch 1962 mit «I Left My Heart In San Francisco». Da stand die «British Invasion» durch Bands wie die Beatles schon vor den Toren, Sänger wie Tony Bennet gerieten außer Mode. Zu Ende des Jahrzehnts ließ er sich zu dem einzigen Album hinreißen, das er je bereute: «Tony Sings the Great Hits of Today!», mit Songs unter anderem der Beatles. Er widmete sich wieder den Standards, überstand finanziellen Absturz, Ehe-, Drogen- und Lebenskrise, sein Einlassen (wie er freimütig zugab) mit der Mafia zu Beginn seiner Karriere. — Tony Bennett hat die Musik seiner Zeit nicht revolutioniert, aber perfektioniert, mit Aufnahmen, die auch in der Jazzwelt Bestand haben – so mit Count Basie, Dave Brubeck oder auf zwei Alben mit Bill Evans. In seinen letzten Jahren erreichte er ein gänzlich neues Publikum; vor zwei Jahren, im August 2021, stand er zum letzten Mal auf der Bühne – von Alzheimer geplagt, aber auch damit war es ein gutes Leben, betonte er. So wie auch seine Autobiographie hieß: «The Good Life». Er war aus der Zeit gefallen, bis sie ihn doch einholte – am Freitag, 21. Juli ist Tony Bennett kurz vor seinem 97. Geburtstag gestorben.

 
 

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