Vom stimmlichen ‹Alleskönnen› – Neues von Michael Spyres, Nachgelassenes von Jessye Norman

06.07.2023Stimmen hörenÖ1Chris Tina Tengel —   –  Details

Jessye Norman

Am Höhepunkt ihres Könnens wusste Jessye Norman den Eindruck zu vermitteln, es wäre ihrer Stimme einfach alles zuzutrauen. So sicher bewegte sie sich zwischen «Fächern» und Stimmlagen, fesselte bei «alter» wie bei moderner Musik, und bei allem dazwischen sowieso. In Wahrheit wählte Jessye Norman die Aufgaben, die sie sich stellte, mit skrupulöser Vorsicht, was öfter ein «nein» als ein «ja» bedeutete, in manchen Fällen wohl auch ein «nein» zu Musik, die sie vermutlich triumphal gemeistert hätte. — Unlängst doch veröffentlicht: einige Norman-Aufnahmen, die sie selbst teils wegen Kleinigkeiten, teils aus nachvollziehbaren Gründen nicht hatte freigeben wollen. Und dabei wiederum im Zentrum: die Isolde in der Wagner-Oper, in der Jessye Norman so oft angekündigt war, um jedesmal zurückzuschrecken. — Bereits in Annäherung an den Tristan befindet sich heutzutage der (ebenfalls) Amerikaner Michael Spyres, mit Mitte 40 im besten Sängeralter, und sich ganz gezielt als vokaler Tausendsassa präsentierend. Dies sowohl in seinen von reich verzierter Barockmusik und virtuosem Rossini bis zum «Helden» Aeneas in Berlioz› «Trojanern» reichenden Bühnenrollen, als auch – frappant! – auf zwei Soloalben, die den «Baritenor» und den «Contra-Tenor» Spyres präsentieren. Der eine: abtauchend in sonore Tieflage, der andere: höchsten Diskant erklimmend.

 
 

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