Auf wen der Wagner-Chef bei seiner Rebellion zählte

29.06.2023NewsSpiegel OnlineMikhail Komin / Tagesspiegel —   –  Details

Michail Misinzew

Der Söldnerführer stützte sich bei seinem «Gerechtigkeitsmarsch» auf die Solidarität wichtiger Militärs. Beinahe schien sein Plan aufzugehen.

Als der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, am vergangenen Wochenende auf Moskau zumarschierte, um Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow abzusetzen, traf er auf überraschend wenig Gegenwehr. — Von ihren Feldlagern in der Ukraine gelangten seine Kämpfer mühelos über das südrussische Rostow am Don bis 200 Kilometer vor die Tore des Kremls. Grund dafür waren auch hochrangige Sympathisanten im russischen Militär, auf die Prigoschin zählen konnte. — Prigoschin wollte «Schlächter von Mariupol» statt Schoigu — Die russischen Streitkräfte bestehen aus einer Vielzahl verfeindeter Gruppen, die um Posten und Einnahmequellen konkurrieren. Längst nicht jeder in der Militärführung ist Schoigu und Gerassimow persönlich treu ergeben. — Oft sind es nur diejenigen, die mit ihrer Hilfe aufgestiegen sind oder lukrative Aufträge vom Ministerium erhalten haben. — In den letzten Monaten hat Prigoschin versucht, einige Generäle auf seine Seite zu ziehen . Sein Ziel waren jene Militärs, deren Karrieren unter den reformorientierten Vorgängern von Schoigu und Gerassimow begonnen hatten und seitdem ins Stocken geraten waren. — Als Teil dieser großen Umstrukturierungen in der Armee wurden zwischen 2008 und 2012 mehr als 70 Prozent der hochrangigen Offiziere ausgetauscht. — Jungoffiziere wurden Prigoschins Wunschkandidaten für militärische Ämter — Zwei der dadurch begünstigten Jungoffiziere sind zu Prigoschins Wunschkandidaten für wichtige militärische Ämter geworden. Schon lange vor der Meuterei erklärte er offen, dass er Schoigu gerne durch Michail Misinzew und Gerassimow durch Sergei Surowikin ersetzt sehen würde. — Misinzew, der aufgrund seiner verheerenden Belagerung der Stadt in westlichen Medien als «Schlächter von Mariupol» bekannt ist, wurde 2012 zum Leiter des Zentralkommandos des Generalstabs ernannt. Dort sollte er die Befehlskette der russischen Streitkräfte straffen. — Nach der Einnahme Mariupols wurde er zunächst degradiert und dann offenbar aus der Armee entlassen. Daraufhin wurde er zum Vize-Kommandanten bei Wagner. Sein Einfluss bei seinen ehemaligen Offizieren blieb jedoch bestehen – und half Prigoschin womöglich dabei, Rostow ohne Blutvergießen einzunehmen.

 
 

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