In einem Telefonat merkte Prigoschin, gegen Putin zu weit gegangen zu sein / Meduza

26.06.2023NewsFocus OnlineMeduza – Benjamin Reuter —   –  Details

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Aufstand des Wagner-Führers — Russischer Verteidigungsminister besucht offenbar die Front, Verfahren gegen Prigoschin läuft laut Medien weiter, Ukraine eröffnen wohl neuen Frontabschnitt. Der Überblick am Abend.

 

Wo sich der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin derzeit aufhält, ist unbekannt. Sein Büro ließ am Sonntag verlauten, er habe schlechten Handyempfang, werde aber gerne alle Fragen beantworten, wenn er wieder erreichbar sei. Am Montag wurde bekannt, dass die russischen Behörden das Verfahren gegen Prigoschin noch nicht eingestellt haben, wie es wohl vereinbart war. — Am Tag zwei nach der Wagner-Meuterei in Russland sind also immer noch viele Fragen offen. Auch, was genau am Samstag hinter den Kulissen des Kreml passierte. — Eine erste Antwort darauf präsentiert das russische Exilmedium «Meduza», deren Journalisten als exzellent vernetzt in Russland gelten. Demnach begannen Beamte im Kreml und in der Militärführung schon am Freitagabend, mit Prigoschin zu verhandeln. — Prigoschin forderte demnach die Absetzung des russischen Verteidigungsministers Sergei Schoigu, mehr Geld und mehr Autonomie für seine Truppe. Forderungen, die Präsident Wladimir Putin offensichtlich nicht erfüllen wollte. — Phase zwei begann demnach am Samstagvormittag. Die Strategie des Kreml war, dass sich Offizielle öffentlich gegen Prigoschin stellen sollten, was unter anderem der Befehlshaber der Luftstreitkräfte und der Vize des Militärgeheimdienstes taten. Den Höhepunkt bildete die Fernsehansprache von Putin, in der der Präsident dem Söldnerchef Rebellion und Hochverrat vorwarf – einen «Dolchstoß in den Rücken» Russlands. Die Zeichen standen jetzt auf Konfrontation. — Gegen Mittag soll Prigoschin dann versucht haben, Putin persönlich ans Telefon zu bekommen. Putin wollte ihn aber nicht sprechen. In dem Moment soll dem Wagner-Chef bewusst geworden sein, dass er zu weit gegangen war. Zu diesem Zeitpunkt bewegten sich die Wagner-Söldner auf die erste Defensivlinie der russischen Armee zu, die ihren Vormarsch in Richtung Moskau stoppen sollte. Dumm für Prigoschin: Zu diesem Zeitpunkt waren keine Soldaten der regulären Armee zu ihm übergelaufen. Ein Blutbad drohte. — Putin wollte laut den Informanten von «Meduza», die unter anderem im Kreml arbeiten sollen, eine Gruppe hochrangiger Beamter für die Verhandlungen. Am Ende waren das sein Stabschef Anton Waino, Nikolai Platonowitsch Patruschew (Leiter des russischen Sicherheitsrates), und der russische Botschafter in Minsk, Boris Gryslow, – die Verhandlungsleitung lag beim weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. — Der Ausgang ist bekannt: Prigoschin pfiff seine Truppen zurück. Dafür sollten seine Kämpfer und er straffrei bleiben. Eine der offenen Fragen am Montag: Hält Putin das Versprechen seiner Verhandler? — Meduza Internetportal

 
 

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