24.06.2023 – News – Focus Online – Anna Schmid — – Details
Stefan Meister
In Russland tobt ein Aufstand. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat mit seinen Männern bereits die Stadt Rostow besetzt, jetzt dringt er angeblich nach Moskau vor. Russland-Experte Stefan Meister glaubt nicht, dass der Söldnerboss das überleben wird. — Die Fernsehansprache, die Wladimir Putin am Samstagmorgen hält, ist eindringlich. Er spricht von einem «Stoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes», von «Verrat am eigenen Land, am eigenen Volk». — Obwohl er seinen Namen nicht ein einziges Mal nennt, ist klar, an wen sich Putin in seiner Rede richtet: Jewgeni Prigoschin, den Chef der berüchtigten Gruppe Wagner. Er galt lange als Vertrauter des russischen Präsidenten. Doch am Samstagmorgen änderte sich das. — Prigoschins Männer besetzten militärische Einrichtungen in der südrussischen Stadt Rostow am Don, wo sich das Hauptquartier des russischen Militärbezirks Süd befindet. Sein Ziel sei Moskau, sagte er selbstbewusst. — — Obwohl er seinen Namen nicht ein einziges Mal nennt, ist klar, an wen sich Putin in seiner Rede richtet: Jewgeni Prigoschin, den Chef der berüchtigten Gruppe Wagner. Er galt lange als Vertrauter des russischen Präsidenten. Doch am Samstagmorgen änderte sich das. — «Wir wollen nicht, dass das Land weiter in Korruption und Betrug lebt» — Als Grund für den Aufstand nannte Prigoschin einen angeblichen Luftangriff auf ein Lager der Wagner-Truppen, bei dem mehrere seiner Söldner getötet wurden. Der 62-Jährige behauptet, die russische Armee wäre verantwortlich für die Attacke. — Doch eigentlich ist das nur die Spitze des Eisbergs. Prigoschin kritisiert die russische Militärführung seit Monaten. Dem Verteidigungsministerium warf er regelmäßig falsche Taktik vor und behauptete, es herrsche «Chaos». Beamte bezeichnete er als «parfümierte Sesselpupser». — Bemerkenswert ist, dass sich Prigoschins Kritik bisher vor allem gegen Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow richtete – Putin sparte er aus. — Nun hielt er jedoch auch dem Kremlchef vor, sich schwer zu irren, wenn er die Wagner-Söldner als Verräter deklariere. «Wir wollen nicht, dass das Land weiter in Korruption, Betrug und Bürokratie lebt», betonte Prigoschin auf Telegram. — Kadyrow mischt sich in Auseinandersetzung ein — Kampfhandlungen gibt es offenbar bereits. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf einen Reporter, dass Militärhubschrauber das Feuer auf einen Konvoi der Wagner-Söldner in der Nähe der Stadt Woronesch eröffnet hätten. — Außerdem kündigte der Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, die Entsendung seiner eigenen Truppe an – zur Unterstützung des Kremls. — «Kämpfer des Verteidigungsministeriums und der Nationalgarde der Republik Tschetschenien sind bereits in die spannungsgeladenen Gebiete aufgebrochen», schrieb er am Samstag auf Telegram. «Wir werden alles tun, um die Einheit Russlands zu bewahren und ihre Staatlichkeit zu schützen.» — Für Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist es keine Überraschung, dass sich Kadyrow in den Konflikt einschaltet. «Er hat sich schon früher von Prigoschin distanziert. Gegenüber Putin zeigte er sich loyal», sagt der Politologe zu FOCUS online. — «Putin ist auf jeden Fall geschwächt» — In jedem Fall zeigt der Wagner-Aufstand, dass der russische Staat das Gewaltmonopol zumindest in Teilen verloren hat. Das liegt laut Meister auch an der Teil-Privatisierung des Krieges. — Schließlich sind Söldner der Gruppe Wagner in der Ukraine im Einsatz. Und die Gruppe Wagner ist nunmal eine private Sicherheitsfirma. — Für den Politologen ist klar: «Reagiert Putin nicht, bringen die Sicherheitskräfte die Situation nicht zeitnah unter Kontrolle, kann das den Präsidenten zunehmend unter Druck setzen. Er ist auf jeden Fall geschwächt, hat zu spät reagiert und Prigoschin zu lange gewähren lassen.» — mit dpa —
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