DER UNBEUGSAME FREE JAZZER / Zum Tod von Peter Brötzmann

23.06.2023NewsBR-KlassikRoland Spiegel —   –  Details

Peter Brötzmann

»Brötzen» – dieses Verb wurde nach Saxophonist Peter Brötzmann benannt. Ein Wort, das so klingt, wie seine Musik: unnachgiebig und kompromisslos. Der deutsche Free Jazzer ist nun im Alter von 82 Jahren gestorben.

 

Fans eher traditioneller Jazzklänge haben einen wie ihn stets gemieden. Der am 6. März 1941 in Remscheid geborene Bildende Künstler und Musiker Peter Brötzmann war für sie gleichsam der Teufel persönlich. Er spielte das Saxophon so ungestüm, dass es schier zu bersten schien, Musik war bei ihm lange Zeit der pure Exzess. Er war 1966 Gründungsmitglied des «Globe Unity Orchestra», das mit befreiten Tönen die Welt umarmen wollte. Und er gründete drei Jahre später auch das bedeutende deutsche Free-Jazz-Label «Free Music Production» mit. — PETER BRÖTZMANN: DER VATER DES DEUTSCHEN FREE JAZZ — Verehrer nannten ihn liebevoll den «Vater des deutschen Free Jazz». Doch weit über die Bundesgrenzen hinaus hatte dieser Musiker aktuelle Entwicklungen mitgeprägt. Geschätzt und verehrt wurde er auch in den USA und in Japan. Peter Brötzmanns Klang und seine unnachgiebige musikalische Haltung haben sogar den deutschen Wortschatz bereichert. Um ein Verb: «brötzen». Ein Wort, das man nicht nachschlagen muss, wenn man die Musik dieser deutschen Free-Jazz-Ikone hört. — WILD, UNGESTÜM, AUFBEGEHREND — Einer wie er klang nie harmlos. Seine Musik war wild, ungestüm, aufbegehrend, rau-ungeschliffen, energiegeladen, ausdrucksgierig und wahrhaftigkeitsversessen. Jeder Ton ein Statement. Es war Musik mit viel Puste und gehörig Lust am Sound. Und diese Lust ließ bis zum Ende nicht nach. «Ich bin ein ganz alt gewordener Jazzmusiker. Ja.» Das hat Peter Brötzmann über sich selbst gesagt. «Jazzmusiker» sprach er dabei so aus, wie es die nach dem Zweiten Weltkrieg mit dieser Musik großgewordene Generation grundsätzlich tat: «Jatzmusiker». Ein Bürgerschreck war er. Ein – auf den ersten Blick zumindest, auf den zweiten dann nicht mehr – Holzfäller-Typ mit Bürstenhaar und einem Buschwerk von Bart. Und zugleich einer, der überraschend sanft wirkte, wenn er sprach. Die Stimme: leicht aufgeraut, ja. Aber kein Beton-Organ. Sondern ein Sound, der leise ausschwang. — Ich hab›s immer noch gerne, wenn ich einen Trommler hinter mir habe. Wenn es losgeht und das Horn vibriert. Das ist schon ein gutes Gefühl.

 

Peter Brötzmann — HARTE SCHALE, WEICHER KERN — Dieser Ungezähmte – immerhin fünf Jahrzehnte lang der wohl wildeste Mann des deutschen Jazz – war sensibel. Ein Mann wie ein Baum, mit den rücksichtsvollsten Umgangsformen, die man sich vorstellen konnte. Das schlug sich auch musikalisch nieder. Ganz fein abgetönt klang seine Musik in zarten Momenten. Doch lange Zeit war der deutsche Free-Jazz-Saxophonist Peter Brötzmann schlicht auch einer der Lautesten im Lande. Wie ein Nebelhorn klang da das Saxophon. Sogar richtig martialisch konnte seine Musik werden.

 
 

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