Ukraine-Stück / Endlich mal wieder ein Erfolg an den Münchner Kammerspielen _ Green Corridors

17.04.2023NewsSüddeutsche ZeitungEgbert Tholl —   –  Details

Green Corridors

Jan-Christoph Gockel inszeniert «Green Corridors» der Dramatikerin Natalia Vorozhbyt. Krass und berührend. — Vier Frauen stehen in der Warteschlange nach Europa. Sie kommen aus Kiew, Charkiw, Butscha und Tschernihiw, sie wollen dem Krieg entfliehen. Jetzt lehnen sie an einer Wand wie aus Beton, die die Therese-Giehse-Halle der Münchner Kammerspiele stark verkleinert, das Geschehen nah an die Zuschauer heranrückt. Sie wollen raus aus der Ukraine, während die Wildgänse aus den wärmeren Ländern dorthin zurückfliegen. Eine Gans scheißt ihnen auf den Kopf. Das sieht man nicht, das sagen sie nur. — Natalia Vorozhbyt, geboren 1975 in Kiew, ist zur Zeit Hausautorin an den Kammerspielen, hat ihr Stück «Green Corridors» für das Haus und im Dialog mit dem Theater geschrieben, eine überbordende, bizarre, schmerzliche, sarkastische und auch an die Nieren gehende Topografie des Krieges. Nicht der Schlachten, sondern dessen, was der Krieg in den Menschen anrichtet. Vorozhbyt knallte in die mitteleuropäische Theaterlandschaft, als ihr Stück «Bad Roads» 2022 beim Festival «Radikal jung» im Münchner Volkstheater zu sehen war, in einer Produktion aus Kiew. Es war zuvor schon im Westen zu sehen gewesen, Vorozhbyts eigene Verfilmung des Stoffs, den sie selbst auf Reisen in den Donbass recherchiert und erfahren hatte, war in Venedig gelaufen. Alles ohne großen Widerhall. Man wollte es nicht wahrhaben. Doch jetzt ist Krieg, und was «Bad Roads» eisenhart an Verheerungen im Inneren der Menschen schildert, wird nun in «Green Corridors» noch verrückter. Vorozhbyt ist gesegnet mit abgrundtief schwarzem Humor. Ihr Stück ist fabelhaft. Die Inszenierung von Jan-Christoph Gockel ist es auch.

 
 

SK-reko-23