18.03.2023 – Sounds in Concert – bremen zwei – Arne Schumacher — – Details
Isaiah Collier
2022 war für das traditionsreiche Jazzfest Berlin fast wie eine Wiedergeburt: nach zwei hybriden Veranstaltungsjahren kehrte das 4-tägige Festival zurück ins Haus der Berliner Festspiele.
Neben den Konzerten im großen Saal fanden einige Highlights abseits des großen Konzertraums statt. Auf der sogenannten Seitenbühne eroberte am Auftaktabend die aus Johannesburg stammende Band The Brother Moves On mit ihrem warmen, aber auch mahnenden Afrobeat-Jazz die Herzen der Zuschauer. Am Samstag wiederum spielte der junge Chicagoer Saxofonist Isaiah Collier mit seiner Band The Chosen Few im besten John Coltrane-Sinne Knoten in die Ohren. — Wer Siyabonga Mthembu und seine Band The Brother Moves On auf der Bühne erlebt hat, geht als veränderter Mensch aus dem Konzert. Die junge Band aus Johannesburg in Südafrika ist von Afrobeat und Jazz, von Rock und Clubmusik geprägt, vor allem aber verkörpert sie den Freiheitskampf der schwarzen Bevölkerung Südafrikas im Geiste Nelson Mandelas. Denn auch wenn die Apartheid abgeschafft wurde, sei Südafrika noch lange keine gerechte und gleichberechtigte Gesellschaft zwischen Weiß und Schwarz. Mthembu als geistiger Anführer der Band ist nicht nur ein exzellenter Performer, der weiß wie man eine Musik zum Tanzen bringt, er ist auch ein hochpolitischer Musiker, dem es wichtig war seine Botschaft in Deutschland zu vermitteln: «Das Land ist ein umkämpftes Problem bei uns. Die weiße, populistische Mehrheit besitzt das meiste Land. Für uns aber ist Land Teil unseres spirituellen Ethos, es hält die Verbindung zu unseren Ahnen aufrecht. Das Land-Problem ist für uns kein ökonomisches, sondern ein spirituelles.»
The Brother Moves On haben ihr aktuelles Album «$/He Who Feeds You…Owns You» auf dem Label Native Rebel Recordings des Londoner Jazz-Tausendsassas Shabaka Hutchings rausgebracht. Mit diesen Songs und der Gast-Saxofonistin Chelsea Carmichael hat das 7-köpfige Ensemble einen denkwürdigen Auftritt hingelegt. — In einem zumindest vergleichbaren Geiste ist der 24-Jährige Tenorsaxofonist Isaiah Collier aus Chicago unterwegs. Mehr durch Zufall ist er zum Saxofon gekommen, spielte zunächst Klavier und Flöte. Aber nachdem er die ersten Platten von John Coltrane und Pharoah Sanders gehört hatte, war der Weg für den jungen Afro-Amerikaner klar: diesen Helden seiner Jugend will er folgen. Sein aktuelles Album «Cosmic Transitions» hat er am Geburtstag von John Coltrane mit seiner Band eingespielt und die Nähe zum Klassiker «A Love Supreme» ist unüberhörbar. Aber Collier hat seinen eigenen Kopf, einen Begriff wie spiritual jazz lässt er sich nicht einfach als Stempel aufdrücken und fragt zurück, ob nicht so ziemlich jede Handlung von einem spezifischen Geist durchdrungen sei: Alles ist spirituell. Du musst dich immer nur fragen: im Geiste von was?
Viele Noten spielt Collier und so sehr man sich wünscht, er möge beim Spielen mal atmen, war eine atemlose Gespanntheit andersherum im Konzertraum regelrecht greifbar. Ein lautes Konzert, eins, das kaum Momente der Entspannung zuließ, aber gerade dadurch eine unbändige Kraft entfesselt hat. — RBB-Mitschnitte vom Jazzfest Berlin 2022 in der Seitenbühne des Haus der Berliner Festspiele vom 3. und 5. November 2022
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