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Walter Mehring: Staatenlos im Nirgendwo / Dreizehnter und letzter Brief aus der Mitternacht

31.03.2023NewsFAZ onlineHans Christoph Buch —   –  Details

Walter Mehring

Intime Beichte, erotische Konfession und politische Anklage zugleich: ein Gedicht im Geist von Heine und Villon über Nöte und Leidenschaften der ins Exil Getriebenen. — Dies ist eins der letzten Gedichte von Walter Mehring, dessen raffinierte Verskunst neben der von Benn und Brecht bestehen kann: Beide kannten und schätzten ihn und kupferten – wie er bei ihnen – von ihm ab. Dabei ist Mehring mehr als ein Kabarett-Autor der Zwanzigerjahre, als Dadaisten und Expressionisten sich gegenseitig überboten mit Bürgerschreck-Posen, tolldreistem Nonsens und Blasphemie. Wie Heine war Mehring ein Erlebnisdichter, der alles, was ihm widerfuhr, in Verse verwandelte, sodass Kunst und Leben, Poesie und Politik im Nachhinein schwer voneinander zu trennen sind. So auch hier. — Was ihn mit Heine verband, war die jüdische Herkunft, seine Hassliebe zu Deutschland und die Liebe zu Frankreich, die im von François Villon entlehnten Motto des Gedichts zum Ausdruck kommt – sein Name kehrt in den kursiv gesetzten Anfangsbuchstaben der Schlussstrophe wieder. «Strenge verjagte den armen Wicht / und trat ihm barbarisch auf Hintern und Bauch / Appell und Rekurse – was half es ihm auch? / Gib ihm, o Herr, das ewige Licht.» So hat K. L. Ammer das Zitat übersetzt, aus dessen Villon-Übertragung sich Brecht in der Dreigroschenoper bediente mit Hinweis auf seine «Laxheit in Fragen geistigen Eigentums». Der Kritiker Alfred Kerr war darüber «not amused».

 
 

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