01.04.2023 – le week-end – Ö1 – Elke Tschaikner, Christian Scheib — – Details
Henricus Saggitarius
Er beherrschte mit seiner italienisch geprägten und in deutscher Sprache gedachten Musik das Musikleben eines ganzen Jahrhunderts in deutschen Landen und zwar genau das Jahrhundert vor Bach und Händel. Heinrich Schütz lebte von 1585 bis 1672 – er wurde beinahe 90 Jahre alt und überlebte dabei den mörderischen, 30jährigen Krieg -, wirkte nach prägenden Studien in Venedig hauptsächlich an Höfen und Kirchen in und um Dresden und Leipzig. Man wurde der Lobreden nicht müde: Als «lumen Germaniae», die musikalische Leuchte Deutschlands, bezeichneten ihn die Zeitgenossen schon damals ebenso wie als den «parens nostrae musicae modernae». Die erste deutsche Musikgeschichte 1650 nannte ihn «den allerbesten teutschen Componisten» und auf seinem Grabstein wurde er als seines Jahrhunderts hervorragendster Musiker, als «saeculi sui musicus excellentissimus» bezeichnet. — Verdienstvolle Meister früherer Jahrzehnte in Erinnerung und in der Aufführungspraxis zu behalten, war in Europa über die allermeisten Jahrhunderte hinweg aber nicht üblich. Bis ins 19. Jahrhunderte mit seinem Historismus kümmerte man sich weniger um die Vergangenheit als um die je eigene Gegenwart. Also spielte auch über Jahrhunderte hinweg niemand in der Öffentlichkeit Musik des alten Heinrich Schütz und bekannt war er nur den ausgewiesenen Eingeweihten. Dass Schütz dann noch dazu im Schatten der populären Großmeister Bach und Händel stand, verschärfte die Situation so weit, dass 1985, als Bach, Händel und Scarlatti mit Jubiläumssaisonen zur 300. Wiederkehr ihrer jeweiligen Geburtstage gefeiert wurden, kaum jemand an den 400. Geburtstag von Heinrich Schütz im selben Jahr dachte. Das inspiriert diese beiden Ausgaben von le week-end und zur Klärung eines diesbezüglich besonders pikanten Details finden wir uns im Geburtsort von Heinrich Schütz ein, ganz in der Nähe von Dresden und Leipzig, im Jahr 1985, und damals natürlich noch lupenreine DDR. — Wir erleben in Teil 2 der zweiteilen le week-end Reihe «Heinrich Schütz im Wendelicht» unter welch grotesken Umständen 1985 in der DDR ein erstes Heinrich Schütz Gedenkhaus eröffnet wird und wieviel wunderbare Bemühungen zur zeitgenäßen Interpretation von Heinrich Schütz in den letzten Jahrzehnten aufgetaucht sind. Es ist eine musikalische Reise voll mit archaischen Passionen, opulenten Psalmen, raffinierten Motetten, extravagant chromatischen, mehrchörigen Madrigalen, herzzereißender Opernszene und zuletzt berührender, einstimmiger Trauermusik.
Ein korrektes Passwort ist erforderlich.