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Der bescheidene Gigant / Zum Tod des Jazzsaxofonisten Wayne Shorter

02.03.2023NewsTagesspiegelGregor Dotzauer —   –  Details

Wayne Shorter

Schon in den Bands von Art Blakey und Miles Davis war er auf dem Weg zu Legende. Doch in hohem Alter hob er das Ensemblespiel mit einem eigenen Quartett noch einmal auf eine neue Ebene.

 

Ein Ton genügte, einer dieser lang gezogenen, jeden Klangnebel zerteilenden und dann wieder in die Unendlichkeit davonschwebenden Töne seines Sopransaxofons, und man wusste: Dieser Sirenengesang kann nur von einem Musiker stammen. Wayne Shorters oboenhafte Schärfe tauchte jede Umgebung in ein intensiveres Licht. — Dass ihm dies inmitten einer Bigband ebenso glückte wie im Duo mit seinem alten Pianistengefährten Herbie Hancock, ist weniger verwunderlich, als dass es ihm auch bei Joni Mitchell gelang. Ihre Musik wäre nicht dieselbe, wenn ihr Shorter, Seite an Seite mit dem Bassisten Jaco Pastorius, auf «Don Juan›s Reckless Daughter» und später auf «Mingus» nicht etwas von jener schmerzlichen Schönheit geschenkt hätte, die in der Orchesterfassung von «Both Sides Now» ihren Höhepunkt erreicht. — Und wie gerieten die Dinge erst in Bewegung, wenn Shorter, der damals schon ein halbes Leben im Jazzolymp hinter sich hatte, in heimatlicheren Gefilden seine ganze Virtuosität ausspielte. Äußerste Sparsamkeit paarte sich mit Anfällen rauschhafter Verschwendungslust. Weather Report, die Fusionband, die er 1970 zusammen mit dem Pianisten Joe Zawinul gegründet hatte, stocherte anfangs noch gewaltig in den Feuern des elektrischen Miles Davis, und im Funkenflug entstanden Klangbilder von halluzinatorischer Kraft. Aber auch, als Weather Report glatter und tanzbarer wurden und sich der meisten Stücke eine federnde Eleganz bemächtigte, behielt Shorter seine Ecken und Kanten, das hart Zupackende und das sich kieksend Überschlagende.

 
 

SK-