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Barber, Bernstein, Schostakowitsch – Schwedisches Radio-Symphonieorchester, Dirigentin: Marin Alsop

22.02.2023KonzertÖ1Peter Kislinger —   –  Details

Marin Alsop

Schwedisches Radio-Symphonieorchester, Dirigentin: Marin Alsop; Rundfunkchor Stockholm. Samuel Barber: Second Essay for Orchestra op. 17 Leonard Bernstein: Chichester Psalms Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 5 d-Moll op. 47 (aufgenommen am 3. Februar in Berwaldhallen, Stockholm) — Essay

Samuel Barbers «Essay for Orchestra No. 2» wurde 1942 anlässlich des hundertjährigen Bestehens des New York Philharmonic unter der Leitung von Bruno Walter in der Carnegie Hall uraufgeführt. Warum «Essay»? Kurz und dramatisch, aber keine Ouvertüre; zu kurz, um als Symphonie, zu dicht, um als Fantasie zu gelten. Drei Themen, drei Stimmungen, die sich aus einer Quelle speisen, kein Programm, sogenannte absolute Musik. Kein äußerer Einfluss? «Vielleicht, dass die Musik in Kriegszeiten entstanden ist», so Barber.

Gebet

Der Dekan der englischen Chichester Cathedral war von Bernsteins Musical so beeindruckt, dass er bei ihm für das Southern Cathedrals Festival 1965 ein Chorwerk bestellte. Der Dekan ließ Bernstein wissen, dass ein Hauch «West Side Story» nicht unerwünscht sei. Bernstein griff dann tatsächlich auf Skizzen zu einem Broadway Musical zurück, «The Skin of Our Teeth», das im Jahr zuvor nicht zustande gekommen war. Bernstein vertonte Psalmen in hebräischer Sprache. In drei Psalmen und Einzelversen aus drei anderen fand Bernstein Zweifel, Verzweiflung, Jubel und schließlich zaghafte Zuversicht. In Stockholm erklang die von Bernstein erstellte kammermusikalische Fassung für Orgel, Harfe und Schlagzeug.

Jubel oder Verzweiflung?

1936 wurde in der sowjetischen Zeitung «Prawda», der Parteizeitung der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion), ein vernichtender Artikel über Dmitri Schostakowitschs Oper «Lady Macbeth aus Mzensk» veröffentlicht: die Musik sei «unsowjetisch, grob, primitiv und vulgär.» Die Attacke war lebensbedrohlich. Sie fiel mit Stalins zynisch genannten «großen Säuberungen» zusammen. Schostakowitsch wurde gezwungen, seine neue Symphonie, seine vierte, zurückzuziehen. Er ließ ihr die als leichter zugänglich geltende fünfte folgen. Deren Untertitel – «Antwort eines sowjetischen Künstlers auf berechtigte Kritik» -stammt nicht von Schostakowitsch. Aufschluss über Schostakowitschs Denken könnte ein Thema im Schlusssatz geben. Er zitiert sein Lied auf Puschkins Gedicht «Wiedergeburt»: Das Gemälde eines «Genies» wird von einem «Barbaren» geschwärzt, würde aber in originaler Schönheit erstrahlen, wenn dereinst die schwarze Farbe abblättert. Leonard Bernstein dirigierte die Coda immer schneller werdend. So erhält der Schluss einen jubelenden und triumphalen Charakter. Die Dirigentin Marin Alsop sagte im Interview mit dem schwedischen Rundfunk, sie habe Sicht und Tempo «von Lennie gestohlen.» Andere russische Dirigenten schlagen ein halb so schnelles Tempo, etwa Jewgeni Mrawinski, der nach der Uraufführung der Symphonie zu einem Vertrauten von Schostakowitsch wurde – der Jubel klingt dann wie mit Gewalt erzwungen.

 
 

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