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Eine Stimme aus Kristall / Sopranistin Ely Ameling

08.02.2023NewsFAZ onlineJürgen Kesting —   –  Details

Ely Ameling

Klar im Ausdruck, genau in der Form, von lockend-leuchtender Schönheit im Ton: Elly Ameling hat besonders im Liedgesang Maßstäbe gesetzt. An diesem Mittwoch wird sie neunzig Jahre alt.

 

Nichts sei mehr zu fürchten, schreibt Pierre Bernac in seinem Ratgeber «The Interpretation of French Song», als der «angeblich intelligente Sänger, der ein Gedicht mehr oder weniger spricht, mehr oder weniger auf die Noten des Komponisten». Und er weist darauf hin, dass das Wort selber schon ein «musikalischer Klang» sei. Diese Lehrsätze des Großmeisters der französischen «Mélodie» sind zu Leitsätzen einer seiner Meisterschülerinnen geworden: der Sopranistin Elly Ameling. Wenn sie in Henri Duparcs «L›invitation au voyage» auf den Text von Charles Baudelaire von den Augen singt, die durch Tränen hindurchschimmern, bekommen die Worte «de tes traitres yeux // Brillant à travers leurs larmes» feinstes Relief und, durch das Diminuendo auf der hohen Zielnote, die lockend-leuchtende Schönheit eines ekstatischen Wachtraums. — Die 1933 in Rotterdam als Tochter eines Juweliers geborene Ameling wurde 1956 beim Gesangswettbewerb in s›Hertogenbosch zur nationalen Berühmtheit. Dass zunächst die polnische Sopranistin Halina Lukomska als Siegerin ausgerufen worden war, führte zu Protesten des Publikums, bis der Sprecher der Jury kundtat, dass ein einfacher erster Preis der jungen Ameling nicht gerecht werde. Ihr wurde der neue «Erste Preis mit Auszeichnung» zuerkannt. Nach dem Sieg beim Internationalen Wettbewerb von Genf (1958) begann sie in Paris mit dem Studium bei Bernac. Doch war ihr Vertrauen auf eine musikalische Karriere so gering, dass sie eine Zeit lang als Buchverkäuferin arbeitete, bevor sie mit einer Aufführung von Hugo Wolfs «Italienischem Liederbuch» aufs Podium zurückkehrte.

 
 

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