03.02.2023 – News – Süddeutsche Zeitung – Elke Heidenreich — – Details
Jürgen Flimm
Itta Shedletzky forschte zu deutsch-Jüdischer Literatur und sah im Gespräch die einzige Möglichkeit, den Abgrund der Shoah für Augenblicke zu überwinden. Jetzt ist sie gestorben.
Anfang der neunziger Jahre begann in Deutschland ein Manuskript zu zirkulieren, das unter dem sperrigen Titel «Literaturdiskussion und Belletristik in den jüdischen Zeitschriften in Deutschland 1837-1918» für angeregte Diskussionen sorgte. Die Autorin Itta Shedletzky hob darin eine Welt ans Licht, die zuvor hinter den großen Namen und ihren Büchern unerkannt geblieben war. Erstmals machte sie die Breite und Tiefe der Emanzipationsdiskurse sichtbar, die seit 1837 mit der Gründung der Allgemeinen Zeitung des Judenthums entstanden. — Die 1943 in Zürich geborene und seit 1962 in Israel lebende Shedletzky hatte zu diesem Zeitpunkt mit einer Vielzahl von Aufsätzen und Sammelbänden zur deutsch-jüdischen Literatur auf sich aufmerksam gemacht. Ausgebildet bei Israels bedeutendstem Historiker Jacob Katz, kam sie früh in Kontakt mit der entscheidenden Figur der sogenannten «deutsch-jüdischen Symbiose»: Gershom Scholem. Der Kabbala- und Mystikforscher regte Shedletzky zu der Arbeit an und begleitete sie bis zu seinem Tod 1982.
Am Freitagabend starb Itta Shedletzky plötzlich und völlig unerwartet mitten im Gespräch mit Freundinnen, wenige Tage vor ihrem 80. Geburtstag. Zwei Konferenzen sollten ihr Werk würdigen. Jetzt, da sie fehlt, wird man sie missen.
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