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Durchwandern, was Gegenwart war / Filmischer Poet Jonas Mekas

03.05.2022NewstazVerena Harzer —   –  Details

Jonas Mekas

Jonas Mekas prägte die New Yorker Avantgarde nach 1945 wie kaum ein Zweiter. In New York widmet ihm nun das Jewish Museum eine Retrospektive.

 

Jonas Mekas trägt in dem Film «Self Portrait» einen ausgebeulten Filzhut und hält eine Dose Bier in der Hand. Er steht im Garten vor dem Haus von Freunden irgendwo im Mittleren Westen der USA. Am Anfang erklärt er die einzige Regel für den Film: Zwanzig Minuten wird er dauern. Dann spricht er über die ungewöhnliche Hitze an diesem Frühlingstag und stellt seine beiden kurz im Film sichtbaren Freunde vor.

 

— Er erzählt von seiner Obsession, dem Filmemachen und wischt sich mit seinem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht. Er beschreibt die Tulpen, die im Beet neben ihm wachsen, und berichtet von seiner existenziellen Lebenserfahrung: der Vertreibung aus seiner litauischen Heimat. Dann blickt er wieder auf die Uhr. Die zwanzig Minuten sind um. Er lächelt und hält seinen Hut vor die Kamera. Ende.

 

— Mekas war Filmemacher, Poet, Kritiker und Institutionsgründer. Wie kaum ein anderer hat er die New Yorker Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Er war ein unermüdlicher Kämpfer für grenzüberschreitende Kunst, Film en thu siast und Netzwerkgenie. Lange vor dem Siegeszug der sozialen Medien hat er sein privates Leben zum Thema seiner Filme gemacht. Er starb 2019 in New York. 1922 in Litauen geboren, wäre er in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden.

 

— Das New Yorker Jewish Museum zeigt deshalb mit «Jonas Mekas: The Camera Was Always Running» die erste US-amerikanische Übersichtsausstellung seines Werkes. Sie legt den Schwerpunkt auf seine filmischen Arbeiten, die alle von Entwurzelung und Neuanfang erzählen. Von dem Leid, aber auch den Chancen, die darin liegen können. In einer Zeit, in der nach wie vor Millionen Menschen weltweit gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, ist das wohl aktueller denn je.

 
 

SK-