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Zur Person: Mike Davis – Der Chronist des Notstands

10.12.2022DiagonalÖ1Peter Waldenberger —   –  Details

Mike Davis

Anschl.: Diagonals Feiner Musiksalon: Sun Ra Arkestra – «Living Sky»

Mit Beiträgen von Christian Lerch und Thomas Mießgang. — Erstausstrahlung: 12. Dezember 2015

Der US-amerikanische Bestseller-Autor Mike Davis war der Liebling der Medien. Manche nannten ihn den «Walter Benjamin des 21. Jahrhunderts»; von anderen wurde er als ein «die Stadt hassender Sozialist» beschimpft. Vor wenigen Wochen starb Mike Davis im Alter von 76 Jahren. — Seit er 1990 das in viele Sprachen übersetzte «City of Quartz – Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles» schrieb, eine Sozialgeschichte der Westcoast-Metropole, ging es bei Davis steil bergauf. Er zeichnete darin eine kulturhistorische Route durch L. A., die wie ein soziologisch fundierter und zugleich prickelnder Hollywood-Thriller daherkam. Dann folgte ein Buch auf das andere. Fast manisch arbeitete sich Davis, wie in «Dead Cities», an größenwahnsinnigem Urbanismus und den daraus resultierenden Folgen ab. — Alles Weitere hatte einen ebenso dramatischen Ton: «Evil Paradises» handelte von «urbanen, neoliberalistischen Traumwelten» wie Dubai; «Ecology of Fear» von L. A. und dem Leben mit der Katastrophe. In «Die Geburt der Dritten Welt» erzählte er von «Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter». Davis ließ nichts aus: Migrationsphänomene zwischen den USA und Mexiko, «eine Geschichte der Autobombe», eine Chronik über die «Vogelgrippe – zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien». Und mit «Planet der Slums» einen 300-seitigen Befund aktueller urbaner Phänomene.

 

Insgesamt schrieb der von einem Kritiker als «Unheil verheißender Jeremias oder Kassandra» denunzierte Autor 20 Bücher, darunter zwei Romane für junge Erwachsene. Sein letztes Buch, Set the Night on Fire (2020, mit Jon Weiner), beschreibt das Jahrzehnt des Radikalismus in Los Angeles in den 1960er Jahren. Darin räumte Davis ein, dass die neue Linke dort gescheitert war, wo die Bürgerrechtsbewegung erfolgreich war.

 

»Diagonal» besuchte den streitbaren Mike Davis 2015 in seinem Haus in San Diego. Eine Hommage.

 

 
 

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