23.10.2022 – News – Zeit Online – Adam Soboczynski — – Details
Serhij Zhadan
Von der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt wird vor allem die Verleihung des Friedenspreises an Serhij Zhadan in Erinnerung bleiben. Denn diese war wagemutig.
Wenn etwas von der Buchmesse in Erinnerung bleiben wird, dann wohl kaum der Umstand, dass sich halbwegs coronasorgenbefreit wieder umarmt wurde, dass ein kraftvoll-avantgardistisches, die Geschlechtergrenzen sprengendes Werk zum Roman des Jahres gekürt wurde, dass die Schauspielerin Diane Kruger ein Kinderbuch vorstellte oder dass das spanische Königspaar so unendlich elegant aufgetreten war. Bleibenden Eindruck haben auch nicht die Verlagspartys hinterlassen, zu denen man sich sogar im infektionsschutzbedürftigen Deutschland durchgerungen hat. Nicht etwa, weil sie nicht schön und beschwingt gewesen wären, das waren sie unbedingt, sondern weil sie mit den Feiern aus vorpandemischen Zeiten schon nach zwei Tagen in der Erinnerung völlig verschwammen. Es schien ja niemand gealtert zwischenzeitlich, nicht der aufdringliche Verleger, den alle mieden, nicht die nach ein paar Gläsern Wein bedrohlich wankende Schriftstellerin, nicht die mit einem Mal superbesorgte Pressefrau, die meinte, mit dem überfüllten Empfang ihres Verlags einen kleinen Hotspot geschaffen zu haben, und so weiter. Man kann die verwechselbare Belanglosigkeit der diesjährigen Feste nur als gutes Zeichen werten. Das Bedürfnis nach intellektuellem Austausch, nach bildschirmfreier Kommunikation, nach fröhlichen Lästereien und sinnlos-schöner Ausgelassenheit lässt sich offenbar nicht so leicht abgewöhnen.
SK-