29.10.2024 – News – Berliner Zeitung – Michael Maier / Die Zeit — – Details
Julija Nawalnaja
Julija Nawalnaja sagt, die Menschen in Russland unterstützen den Ukrainekrieg nicht. Sie äußert sich zurückhaltend zu Waffenlieferungen des Westens.
Das jüngste Interview der Witwe des kürzlich unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny sorgt für Aufsehen. Ihr Gespräch mit der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit brachte Julija Nawalnaja scharfe Kritik ein. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter schrieb auf X: «Was prädestiniert Frau Nawalnaja, über Fragen der ukrainischen Selbstverteidigung zu urteilen? Es ist nicht nur Putins Krieg, sondern offensichtlich Russlands Krieg. Anstatt das legitime Selbstverteidigungsrecht der Ukraine zu bestärken, wirkt sie mit solchen Aussagen eher als Anwältin imperialer russischer Ansprüche.» Der Bild-Zeitung sagte Kiesewetter, Nawalnaja habe «offensichtlich auch kein Verständnis für das legitime Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, das auch die militärische Offensive der Ukraine auf russischem Gebiet eindeutig ermöglicht und unterstützt». Nawalnaja sei «kein glaubwürdiger Ansprechpartner für eine verantwortungsbewusste Politik im Rahmen des internationalen Völkerrechts», betonte Kiesewetter. Die Bild zitiert andere Kritiker, die auf X geschrieben hätten: «Nawalnaja sagt offenbar gezielt nichts zur Ukraine, um den Support der Nationalisten in Russland zu behalten.» Bei den Themen Imperium, Angriffskrieg, Kriegsverbrechen oder internationales Tribunal werde Nawalnaja «stets sehr schmallippig». Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk schrieb auf X, die Zeit habe Nawalnaja «gewähren» lassen. Es gehe «allein um Macht»: «Das Interview zeigt eine russische Oppositionelle, die wenig Anlass für Hoffnung bietet.»
Der Grund der Kritik: Julija Nawalnaja, die heute in London im Exil lebt, hatte in dem Interview überraschende Positionen vertreten. Ihrer Ansicht nach müssen man einen Unterschied zwischen dem russischen Volk und dem Präsidenten machen. Sie vertrat eine differenzierte Position im Hinblick auf die westlichen Waffenlieferungen und zu Kriegsverbrechen. Eindeutig ist ihre Position im Hinblick auf Putin: Er sei ein Lügner, dauerhafter Frieden sei mit ihm nicht möglich, womit Nawalnaja indirekt jene stärkt, die einen «regime change» in Moskau fordern,
— – Auf die Frage, ob der Krieg gegen die Ukraine «Putins Krieg oder ein Krieg Russlands» sei, antwortete sie: «Diesen Krieg hat Wladimir Putin angefangen. Es ist sein Krieg. Wenn Putin etwas zustößt, dann endet der Krieg. Vielleicht nicht am selben Tag, aber bald darauf.» Die Reporter daraufhin: «An der Front kämpft aber nicht Putin, es sind gewöhnliche russische Soldaten.» Nawalnaja: «Natürlich kämpfen die Menschen. Aber es ist sein Krieg.» Die Zeit-Redakteure erwiderten, «laut Umfragen des unabhängigen Lewada-Instituts unterstützen etwa 75 Prozent der Bevölkerung die ‹militärische Spezialoperation‹, wie der Krieg in Russland genannt wird». Nawalnaja darauf: «Ich glaube nicht daran. In einem Staat, in dem eine komplette Diktatur herrscht und Menschen für Likes in den sozialen Medien ins Gefängnis kommen, in dem Menschen getötet und vergiftet werden, haben Meinungsumfragen eine geringe Glaubwürdigkeit.» Sie sage nicht, dass niemand in Russland diese «Spezialoperation» unterstütze: «Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sehr viele sie nicht unterstützen. Doch die Menschen haben Angst. Sie wollen nicht im Gefängnis landen und umgebracht werden. Insbesondere, wenn sie sehen, was meinem Mann widerfahren ist. Nicht alle Menschen sind Helden.» (…)
SK-news