Kamala Harris stellt eine Trump-Taktik auf den Kopf

06.10.2024NewsThe New York TimesSusan Faludi —   –  Details

Kamala Harris

Es ist eine Binsenweisheit, dass weibliche Kandidaten für hohe Ämter auf Hindernisse stoßen, die Männer nicht haben. Weniger bekannt ist jedoch, dass Frauen mit unterschiedlichen Hindernissen konfrontiert sind. Als Einzelne und als Generation stehen Frauen vor ihren eigenen, unlösbaren Dilemmas. — Hillary Clintons Dilemma bestand darin, energisch zu sein, ohne dabei tödlich unweiblich zu wirken, ohne durch ihren Ehrgeiz wie ein Hochstapler zu wirken. Kamala Harris steckt in einem anderen Dilemma. Sie muss sich nicht gegen Vorwürfe wehren, ihr Ehrgeiz mache sie unweiblich, auch weil sie sich dafür entschieden hat, das Durchbrechen der gläsernen Decke nicht zu einem Thema ihres Wahlkampfs zu machen. Ihre besondere Achillesferse – die ihr Gegner, der trotz seiner offensichtlichen Ungeeignetheit für den Job durchaus ein Talent dafür hat, Schwachstellen zu erkennen und auszunutzen, aufzeigte – ist das Wort «Schutz». — Das ist die Unterstellung hinter so vielen Angriffen auf Harris› Präsidentschaftskandidatur: Wie wird sie Wähler schützen, die sich von allem möglichen – von Ansteckung über Inflation bis hin zu Krieg – heimgesucht und unsicher fühlen? So sehr Harris› Wahlkampf «Freude» propagiert, so sehr strahlt die nationale Stimmung Angst aus – vor Enthüllung, Bedrohung, Körperverletzung. Wie soll uns eine Frau davor schützen? Schutz ist ein Bereich der amerikanischen Kultur, der entschieden geschlechtsspezifisch ist. Die problematischen Dynamiken, die traditionell den Schutz von Heim und Herd bestimmen, bestimmen auch unsere Politik, einen Bereich, in dem Frauen historisch weder Beschützer- noch Schutzstatus zugestanden wurde. — Im öffentlichen wie im privaten Bereich bietet derjenige Schutz, der dominieren will. Vor 47 Jahren identifizierte die feministische Philosophin Susan Rae Peterson das Syndrom des «männlichen Schutzgelderpressers» mit der Frage: «An wen können sich Frauen wenden, wenn der Staat sie in seiner Schutzfunktion im Stich lässt?» Sie erklärte, dass «Frauen mit ihren Ehemännern oder Vätern Vereinbarungen treffen (im Austausch für Treue bzw. Keuschheit), um sich Schutz zu sichern. Vor wem schützen diese Männer die Frauen? Vor anderen Männern, wie sich herausstellt.» Sie fuhr fort: «Es gibt eine bemerkenswerte Parallele zwischen dieser Situation und den Taktiken von Verbrechersyndikaten, die Schutzgelderpressung als Geschäft verkaufen. Der Käufer, der die Schutzdienste einer Agentur ablehnt, weil er keinen Schutz braucht, findet bald heraus, dass er, weil er sich weigert, Schutz zu kaufen, sehr wohl Schutz braucht. Frauen sind in der gleichen Lage.» —

 
 

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