Der Schriftsteller James Baldwin wurde vor hundert Jahren in New York geboren. Er hat die Sicht auf das schwarze Amerika revolutioniert

02.08.2024NewsNZZDaniel Haas —   –  Details

James Baldwin

James Baldwin erzählt aus den Abgründen des rassistischen Amerika und erhebt die Leser in die Sphären der Hoffnung. «James Baldwin ist eine der wichtigsten Stimmen der afroamerikanischen Literatur. Vor allem ist er ein grosser Dichter der Moderne.

Am 2. August wäre James Baldwin hundert Jahre alt geworden. Geboren im New Yorker Stadtteil Harlem, gilt er als eine der bedeutendsten Stimmen der afroamerikanischen Literatur. Und da liegt schon das Problem: Zu sagen, James Baldwin sei ein Sprachrohr der «People of Color» gewesen, ein in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung engagierter Künstler und Aktivist, ist eine Schmälerung seines artistischen Rangs. «Ja, James Baldwin hat sich wie kein anderer afroamerikanischer Autor der 1950er und 1960er Jahre für die Rechte von Schwarzen eingesetzt. Aber seine Texte, die zahlreichen Essays, Erzählungen und Romane, sind mehr als Parteinahmen für eine von Unrecht und Gewalt geknechtete Ethnie. Sie sind ein Dokument humaner Tapferkeit und ergeben in Gänze die Vision einer, so kitschig es klingen mag, besseren Welt. «Und wer hätte nicht eine Verbesserung der Verhältnisse erhofft? Wer wäre nicht unzufrieden gewesen, enttäuscht oder sogar entsetzt im Angesicht der politischen Lage? James Baldwin klagte in seinen Büchern den rassistischen Terror an, dem die Schwarzen seit den Raubzügen der Weissen in Afrika ausgesetzt sind und der nicht nur in den USA systemisch, ja staatstragend wurde. Er, der homosexuelle Künstler, fächerte auch die Notlagen auf, in die Menschen wie er inmitten einer heterosexuell genormten Gesellschaft geraten. «Er machte in seinen Werken zudem deutlich, wie alle, die Marginalisierten wie auch der sogenannte Mainstream, unter dem Joch der Vorurteile und Ausgrenzung leiden. Der Kulturwissenschafter Henry Louis Gates Jr. benannte das Dilemma: «Wenn Baldwin ein zentrales politisches Argument hatte, war es, dass die Schicksale von schwarzem Amerika und weissem tiefgreifend und unumkehrbar miteinander verflochten waren. Jedes erschuf das jeweils andere (. . .), jedes konnte das andere zerstören.» «Diese Dialektik der doppelten Vergewaltigung durch die Geissel der Ideologie in erzählende Prosa zu übertragen, macht Baldwin zu einem Autor von Weltrang. Man sage also nicht: James Baldwin ist eine der grossen Stimmen der afroamerikanischen Literatur. Sondern: Dies ist ein grosser Dichter der Moderne.

 

 
 

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