‹Leckts mi aum Oasch!› / Sigi Maron

25.06.2024NewsZEIT OnlineThomas Mießgang —   –  Details

Sigi Maron

Der Protestsänger und Wutbarde Sigi Maron wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Seine musikalische Befreiungstheologie geistert immer noch durch die linken Milieus der Republik. — Das Foto von Sigi Maron wurde vermutlich in seinen letzten Lebensjahren aufgenommen: Er sitzt grimmigen Blicks in seinem Rollstuhl und richtet die Gitarre wie eine Schusswaffe auf die Kamera. Es fällt schwer, bei diesem Bild nicht an den US-amerikanischen Protest-Folkbarden Woody Guthrie zu denken, auf dessen Gitarre die Aufschrift — This machine kills fascists» stand. — Die beiden Sänger mögen im Hinblick auf linke Politik, soziale Verantwortung und revolutionäres Bewusstsein einiges gemeinsam haben, doch in ihren musikalischen Ambitionen unterscheiden sie sich gewaltig: Während Guthrie aus dem schier unendlichen Reservoir der amerikanischen Folk- und Worksong-Traditionen schöpfen konnte und seiner Holzgitarre ein Leben lang treu blieb, verstand sich Siegfrid Maron, den alle nur Sigi nannten, als verhinderter Rock ›n› Roller. Die Nazis, betonte er, hätten das Volkslied im deutschsprachigen Raum für immer vergiftet. Also musste man sich die Freiheitsklänge anderswo suchen, zum Beispiel beim Blues und bei der explosiven Energie der elektrischen Gitarre. Ein Leben als Rampensau, das sich Maron als Teenager imaginiert hatte, blieb ihm allerdings verwehrt: Er erkrankte im Alter von zwölf Jahren an Kinderlähmung und war bald auf einen Rollstuhl angewiesen. Ein Schicksal, das er mit jener grimmigen Ironie, die ihm zu eigen war, so kommentierte: — Ich bin nicht behindert, ich werde behindert.» — Heute ist der 2016 verstorbene Sänger und Liederschreiber, der gesellschaftliche Problemlagen mit Liedern wie ›S Lebm is hoat in Favoriten oder Da Hausmasta kommentiert hatte, bereits eine historische Figur der Protestbewegungen der Zweiten Republik geworden. Doch Sigi Marons Aura geistert immer noch durch die linken Milieus der Gegenwart: So hat beispielsweise Andreas Babler, der Vorsitzende der SPÖ, ein Foto des Künstlers in seinem Büro aufgehängt und betont immer wieder, dass ihn eine enge Freundschaft mit dem kritischen Geist verbunden habe. — Sigi Maron, der am 14. Mai 1944 in eine Arbeiterfamilie geboren wurde und mit sechs Geschwistern im niederösterreichischen Gneixendorf in großer Armut aufwuchs, entwickelte früh ein Klassenbewusstsein, das ihn später auch Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs werden ließ. Aber er verstand sich nie als steinharter Ideologe, sondern in erster Linie als diskussionsfreudiger Anwalt der Verdammten dieser Erde, denen er mit seinen Liedern Mut zusprechen und Solidarität angedeihen lassen wollte. Dabei agierte er meist nicht als sensibler Poet, sondern als Mundartrabauke, der gerne den Knüppel aus dem Sack zog. Sein berühmtestes Lied Ballade von ana hoatn Wochn, in dem die Mühen des Alltags wortreich beschrieben werden, gipfelt in einem Refrain, der bald nach dem Erscheinen von Hunderten bei Konzerten mitgegrölt wurde: — Leckts mi aum Oasch!» —

 
 

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