Paris and Beyond: Raritäten für Cello und Klavier

06.03.2024Konzert Ö1Walter Weidringer —   –  Details

Johannes Moser

Johannes Moser, Violoncello; Paul Rivinius, Klavier. Nadia Boulanger: Trois pièces; Sergej Prokofjew: Cello-Sonate C-Dur op. 119; Francis Poulenc: Cello-Sonate FP 143; Bohuslav Martinu: Variationen auf ein Thema von Rossini H. 290; Johannes Brahms: Sapphische Ode op. 94/4 (Zugabe) (aufgenommen am 28. November 2023 im BR Studio 2, Funkhaus München) Johannes Moser und Paul Rivinius mit einem musikalischen Kaleidoskop des 20. Jahrhunderts, aufgenommen am 28. November 2023 in München Paris, neben Wien die “andere” Welthauptstadt der musikalischen Moderne: Sie ist der offensichtliche oder auch versteckte Dreh- und Angelpunkt jenes Duoprogramms, das zwei famose Münchner am 28. November 2023 in einem BR-Studiokonzert im Funkhaus ihrer Heimatstadt gegeben haben – der Cellist Johannes Moser und der Pianist Paul Rivinius. Dass Rivinius dabei dankenswerterweise als Einspringer für seinen erkrankten Kollegen Andrei Korobeinikov angetreten ist und die Werkfolge deshalb etwas adaptiert werden musste, tat der Originalität des Abends keinen Abbruch. In diesem Mitschnitt zu hören sind die impressionistisch getönten Trois Pièces der 27-jährigen Nadia Boulanger – jener Komponistin, Pionierin am Dirigierpult und nicht zuletzt bedeutenden Lehrerin, die in dieser Funktion geradezu eine Kaderschmiede der undogmatischen Moderne leiten sollte. Mit seiner Violoncellosonate ist ihr zwölf Jahre jüngerer Kollege Francis Poulenc vertreten, der als Mitglied der “Groupe des Six” und Vertreter des “Néoclassicisme” in die Musikgeschichte eingehen sollte – und dieser Stil verstand sich keineswegs als konservative, sondern als bewusst moderne Gegenströmung zur Atonalität und dann Zwölftonmethode der Wiener Schule. Wohl oder übel bereits hinter sich gelassen hatte die Stadt Paris jedoch die beiden anderen Komponisten des Programms, als sie ihre hier gespielten Werke schrieben. Der eine, Sergej Prokofjew, war vor den Wirren der Oktoberrevolution 1918 aus Russland geflohen, aber in der Welt nirgends so recht glücklich und nach Wunsch erfolgreich geworden, auch nicht in Paris. So zog es ihn 1936 zurück in seine innig geliebte und dennoch völlig veränderte Heimat: die UdSSR. In Moskau wurde 1950 seine Sonate op. 119 uraufgeführt, von nicht ganz unbekannten Interpreten: Mstislav Rostropovich und Swjatoslaw Richter. Paris war jahrelang Lebensmittelpunkt des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinu gewesen, doch als im Zweiten Weltkrieg Hitlers Wehrmacht bald gefährlich nahekam, entschloss sich das Ehepaar Martinu noch rechtzeitig zur Flucht. Nach einer wahren Odyssee landeten die Martinus, hundemüde und abgemagert, im März 1941 endlich in New York. Um sein spärliches Einkommen aufzubessern, komponierte er dort im Jahr darauf u.a. die “Rossini-Variationen” für Violoncello und Klavier: ein Virtuosenstück für Gregor Piatigorsky, aber auch in der Klavierstimme glänzend durchgearbeitet und mit modernem Anspruch.

 
 

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