08.02.2024 – News – Focus Online – Ralph D. Thiele — Anaïs-Sophie Bockholt — – Details
Gerhard Mangott
Deutschland, Schweden, Dänemark, Polen: Immer mehr europäische Länder warnen vor einem Mega-Krieg mit Russland. Ein Russland-Experte sowie ein deutscher Ex-Oberst vermuten dahinter eine «orchestrierte Kampagne» mit zweifelhaftem Ziel. — Schüren unsere Regierungen Putin-Panik? — Russland-Experte nennt Kriegswarnungen «orchestrierte Kampagne» — Der österreichische Russland-Experte Gerhard Mangott zeigt sich jedenfalls äußerst skeptisch: Das Ganze habe den Anschein, «als handele es sich da um eine orchestrierte Kampagne», so Mangott im Gespräch mit FOCUS online. Ziel sei es, Angst in der Bevölkerung schüren, um höhere Ausgaben für die Verteidigung und eine fortgesetzte Militär- und Finanzhilfe an die Ukraine zu rechtfertigen. «Wenn die Ukraine gegen Russland verliert, so die Erzählung, sind wir als nächstes dran.»
Eine baldige kriegerische Auseinandersetzung mit Russland sei unrealistisch, so der Experte weiter: «Russland hat den Krieg in der Ukraine noch nicht gewonnen. Die bestausgebildeten Soldaten an der Front sind aufgerieben oder zu Kriegsversehrten geworden. Eine derart geschwächte Armee kann die Nato gar nicht angreifen.»
Gefahren durch den russischen Imperialismus gäbe es, so Mangott, aber durchaus für Länder wie Moldau und Kasachstan. «Aber Moskau weiß, dass es einen konventionellen Krieg gegen die Nato verlieren würde.» In der russischen Führung gäbe es sicher das Ziel, das historische Russland wieder zu errichten. Aber: «Ambitionen sind das eine, Fähigkeiten sind das andere», betont Mangott. — Ex-Oberst: «Die Kriegshysterie ist vollkommen unnötig» — Der ehemalige Oberst und Berliner Militärexperte Ralph D. Thiele ist ähnlicher Meinung. In seiner militäri schen Laufbahn war er unter anderem im Planungsstab des Verteidi gungsministers und im Private Office des Nato-Oberbefehlshabers tätig. — Jetzt sagt Thiele zu FOCUS online deutlich: «Ich halte die Kriegshysterie für unangemessen; übrigens auch für unzweckmäßig, es sei denn man möchte den Waffengang mit Russland herbeibeschwören.»
Wer die Motivation der «Kriegsrufer» hinterfrage, schaue in ein breites Spektrum, das von «schlichter Unkenntnis über Hysterie bis zu handfesten Interessen» reiche, so Thiele weiter. Die Schweden hätten beispielsweise vor zwei Jahrzehnten «bewährte Verteidigungskonzepte aufgegeben» und stünden jetzt vor einem «Trümmerhaufen ihrer Sicherheitsvorsorge», so der Experte. Er glaubt, dass die Warnungen aus den genannten Ländern Kalkül sind: «Die Schweden erhoffen sich nun den Schutz ihrer künftigen Nato-Bündnispartner.»
Ähnlich verhält es sich laut Thiele auch bei Polen und seiner jüngsten Kriegswarnung: «Polen baut mehr auf die USA als auf die europäischen Partner zu seinem Schutz, hat vermutlich unbezahlbare Rüstungsbeschaffungen beauftragt und versucht nun mit lautem Rufen die absehbare Sicherheits-Malaise zu übertönen.»
Russische Bedrohung als Argument für Nachrüstung — Und auch Deutschland hoffe, so Thiele, auf diese Weise weitere finanzielle Mittel für seine Verteidigung zu rechtfertigen. Das Land habe versäumt, «genügend Munition und dringende benötigte Waffensysteme für die Landes- und Bündnisverteidigung zu beauftragen». Die russische Bedrohung diene als «Argument für die erforderliche Nachrüstung». — Thieles Fazit: «Der deutschen und europäischen Politik ist zu raten, dass sie wieder lernt, dass sie nicht nur über Streitkräfte und Rüstungsgüter als Mittel der außen- und sicherheitspolitischen Problemlösung verfügt». Dann würde sich auch das «vollkommen unnötige Kriegsgeschrei» wieder beruhigen.
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