Der ‹Österreichische Mensch› (1) Wie man eine Nation bastelt

22.01.2024RadiokollegÖ1Martin Haidinger —   –  Details

Nation-Building

Der «Österreichische Mensch» entstand vor 100 Jahren, 1924, als literarische Figur des Münchner Schriftstellers Oscar A.H. Schmitz. In zwei Diktaturen nahm er manch paradoxe Gestalt an, ehe Österreich trotz der Eigenheiten seiner Bundesländer nach 1945 zur Nation wurde. Was ist aus dem «Österreichischen Menschen» in Zeiten von Migration, Integration und Globalisierung geworden?

«Der österreichische Mensch. Zum Anschauungsunterricht für Europäer, insbesondere für Reichsdeutsche.» heißt ein Buch des etwas skurrilen Münchner Schriftstellers Oscar A.H. Schmitz, das er vor 100 Jahren, 1924, in einem Wiener Verlag herausbringt. Darin wird «der Österreicher» als barocker, sinnlicher, katholischer, aristokratischer Mensch gepriesen, ganz im Gegensatz zum Preußentum, das von Hass, Unterdrückung, Protestantismus getrieben sei. — Auch österreichische Autoren, die meistens noch der alten Monarchie verbunden sind, wie August Maria Knoll, Ernst Karl Winter, Friedrich Heer, und Alfred Missong stoßen in dasselbe Horn. Selbst höherklassige Schriftsteller wie Richard Schaukal oder Anton Wildgans schrieben ein neues Nationalbewusstsein herbei. Eher spöttisch beurteilen das die großen Literaten Robert Musil («Wir sind so begabt, Orient und Okzident vermählen sich in uns ») und Karl Kraus, der dem österreichischen Menschen das «österreichische Antlitz» entgegenhält … Eindeutig ist es das Selbstfindungsprogramm eines auf 8 Millionen Menschen reduzierten Landes, das hier in den 1920er und 30er Jahren läuft. Vor allem konservative Intellektuelle, deren Seelen durch den Verlust des Habsburgerreichs gekränkt sind, nehmen an dieser Therapie teil.

 
 

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