Richard Strauss und Prokofjew Boston Symphony Orchestra, Dirigent: Andris Nelsons

13.12.2023KonzertÖ1Peter Kislinger —   –  Details

Andris Nelsons

Boston Symphony Orchestra, Dirigent: Andris Nelsons. Richard Strauss: Tod und Verklärung op. 24; Sergej Prokofjew: Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100 (aufgenommen am 25. August in der Royal Albert Hall, London im Rahmen der «Proms 2023»)

Tod und Verklärung als Verklärung des Sterbens?

Der 24-jährige Richard Strauss lieferte 1890 ein Hochglanzprodukt zum Thema Sterben. Vielleicht sollte seine Tondichtung «Tod und Verklärung» besser Verklärung des Todes heißen. So schön hat Sterben wohl noch selten geklungen -weder vorher noch nachher, außerhalb der Konzertsäle und Opernhäuser sowieso nicht. Aber zumindest Strauss hat dann sein weiteres Leben zielstrebig auf seine Sicht des Lebensendes hingearbeitet. Fast sechzig Jahre später – 1949 – soll Strauss, dem ein Sterbebett und der Rilkesche «eigne Tod» («O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.») vergönnt war, seiner Schwiegertochter zugeraunt haben – vermutlich mit gemütlich bayerischem Akzent und Tonfall -: «Sterben ist grad so, wie ich das in ›Tod und Verklärung› komponiert habe.»

— Zu Tode gehetzte feierliche Blasmusik?

Mit anderen Sterbens- und Todeserfahrungen war Prokofjew vor und während der Stalin-Diktatur konfrontiert. Groß ist die Versuchung, die 5. Symphonie von Sergej Prokofjew, losgelöst vom Kontext, ausschließlich als brillantes Virtuosenstück zu zelebrieren. Dieses im Sommer 1944 entstandene Werk sei die «Summe eines langen schöpferischen Lebens», schrieb der Komponist. 1932, kurz vor seiner Rückkehr in die Sowjetunion, versprach Prokofjew, er werde von nun an Musik schreiben, die «den neuen Menschen» darstelle, «den Kampf und die Überwindung der Hindernisse. Mit solcher Einstellung, mit solchen Erlebnissen möchte ich große musikalische Gemälde malen.» Nach dem sich abzeichnenden Sieg der «drei Mächte» (Sowjetunion, Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich) über Nazi-Deutschland schien diese Symphonie den Sieg dieses «neuen Menschen», eine Symphonie «der Größe des menschlichen Geistes» zu verherrlichen. Es liegt in der Natur des Mediums Musik, vor allem an der Qualität der musikalischen Mittel, dass dieses Werk auch anders verstanden werden kann.

 

Der 1. Satz beginnt wie eine Idylle. Bald melden sich die Blech- und Schlagzeugabteilungen zu Wort und karikieren das bukolische Thema. Der Mittelteil des 2. Satzes: eine Karikatur des vom Staatsapparat dekretierten Frohsinns? Der zunächst intime Klagegesang des 3. Satzes geht, mit entsprechend großer, bewegender Pathosgeste, bald an die Öffentlichkeit. Im Finalsatz scheint die Musik in die verordnete glückliche, «bessere», sowjetische Zukunft zu galoppieren, doch der Frohsinn mutiert unversehens, gnadenlos japsend und hechelnd, zu einer atemlosen Jagd. Es ist einer der faszinierendsten Sätze im umfangreichen Werk Prokofjews. Die letzten zwei Minuten nennt einer der besten Kenner der russischen Symphonik des 20. Jahrhunderts, der österreichische Symphoniker Michael F.P. Huber, «schlichtweg genial – die feierliche Blasmusik marschiert auf und wird zu Tode gehetzt.» Abgesehen von seiner 1. Symphonie, der «Symphonie classique», ist diese Symphonie Prokofjews meist aufgeführte und für Tonträger aufgenommene.

 
 

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