25.11.2023 – News – FAZ online – Roland Reuss — – Details
Dietrich E. Sattler
Mit seiner textkritischen Ausgabe auf Basis der Handschriften machte er Epoche – und sich nicht nur Freunde: Zum Tod des Philologen Dietrich E. Sattler. — «Im Zweifel gilt Sinn» – das war das Motto, unter das man das editorische Werk des vergangene Woche gestorbenen Hölderlin-Herausgebers Dietrich Sattler insgesamt stellen kann. Die von ihm im Verbund mit KD Wolff und Michel Leiner 1975 im Frankfurter Verlag Roter Stern (später Stroemfeld/Roter Stern) begonnene «Frankfurter Hölderlin Ausgabe» setzte auf größtmögliche Transparenz der Quellendokumentation. Sie tat dies nicht nur aus dem Motiv einer Demokratisierung des Zugangs zur literarischen Überlieferung des Hölderlin›schen Nachlasses heraus, sondern auch motiviert durch die Phantasie, dass noch die nebensächlichste Tintenspur bis hin zum Strich mit fast tintenleerer Feder an der Bedeutung des poetischen Textes partizipierte. — Faksimilierung und damit Überprüf barkeit der editorischen Entscheidungen wurde hier erstmals – eine der vielen Neuerungen in der Editionsphilologie, die mit der Hölderlin-Ausgabe Sattlers sich Bahn brach – essenzieller Bestandteil der wissenschaftlichen Darstellung, und allein die Insistenz darauf hat in den späten Siebzigerjahren schon gereicht, Widerstände der etablierten Hölderlin-Institutionen (Hölderlin-Gesellschaft, Hölderlin-Archiv in der Württembergischen Landesbibliothek) auf den Plan zu rufen. Nicht wurde gutgeheißen, dass hier aus einer «linken» Ecke das Deutungsmonopol der früheren Ausgaben infrage gestellt wurde, und folgerichtig überziehen die Anfänge der Frankfurter Hölderlinausgabe Obstruktionsversuche des Hölderlin-Establishments.
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