Man hat mir gesagt: Ich mache Menschenkunst. Der Filmemacher und Künstler Friedemann Derschmid

12.11.2023MenschenbilderÖ1Sabine Nikolay —   –  Details

Friedemann Derschmidt

Friedemann Derschmidt wurde 1967 in Salzburg geboren und wuchs in einer großen Familie mit vielen Geschwistern auf. Auch in den Generationen davor gab es ungezählte Tanten, Onkel, Großonkel, Großtanten, Cousins, Cousinen – und auch eine dunkle Vergangenheit im Nationalsozialismus, über die wenig bis gar nicht gesprochen wurde. Schon früh erkannte Derschmidt, dass Erzählungen über das Leben immer dadurch gefärbt sind, wer erzählt – und wem erzählt wird. Wenn die Großmutter ihm Geschichten aus der Vergangenheit erzählte, waren diese ganz anders als jene, die sie dem Cousin erzählte. — Diese Unstimmigkeit ist der Ausgangspunkt von Friedemann Derschmidts künstlerischer Arbeit. Er brachte verschiedene Menschen spontan bei «Permanent Breakfast» zusammen: Im öffentlichen Raum wird ein Frühstücksbuffet aufgebaut, zufällig Vorbeikommende können Platz nehmen, essen, trinken und sich unterhalten. — In den Jahren nach der Jahrtausendwende begann Friedemann Derschmidts künstlerische Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, die er der Geschichte des Israeli Simon Lev gegenüberstellte: Auf der einen Seite ein Stammbaum mit hunderten Namen, sie führte zum Hygieniker und Vertreter der Rassentheorie Heinrich Reichel, Professor an der Universität Graz. Auf der anderen Seite die wenigen Namen einer in der Shoa ausgelöschten Familiengeschichte. — 2015 veröffentlichte Friedemann Derschmidt das Buch «Sag Du es Deinem Kinde. Nationalsozialismus in der eigenen Familie» und thematisierte, wie man mit den Nachgeborenen über die Nazivergangenheit älterer Verwandter sprechen kann. Diese Arbeit führte, auch über filmische Porträts Überlebender, zu den «Synoptischen Porträts», in denen die Vielstimmigkeit und auch die Unstimmigkeit biografischen und autobiografischen Erzählens sichtbar wird: Menschen erzählen in verschiedenen Sprachen über ihr Schicksal. — Aktuell präsentiert das Haus der Geschichte Österreich in der Ausstellung «Vielgeschichtig» die von Friedemann Derschmidt entwickelte Videomethode der synoptischen Portraits und das Künstlerhaus eine Installation von Derschmidt und Alaa Alkurdi im Rahmen der Gruppenausstellung «systemrelevant».

 
 

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