01.11.2023 – News – achgut.com – Hans Scheuerlein — – Details
Joni Mitchell
Der Name Joni Mitchell begegnete mir zum ersten Mal auf einer kleinen 7»-Single der schottischen Hardrock-Band Nazareth. Es handelte sich um ihren Top-Hit «This Flight Tonight», wo unter dem Songtitel, wo in Klammern stets Komponist und Textdichter angegeben werden, Joni Mitchell genannt war. Damals sagte mir der Name gar nichts, und es sollte noch Jahre dauern, bis ich das Original von «This Flight Tonight» auf ihrem Album «Blue» hören würde, welches bereits im Juni 1971 erschienen war. Die Gnade der späten Geburt hat bestimmt auch ihre Vorteile, aber vieles bekam man halt einfach nicht mit oder nur mit reichlicher Verspätung. Im Falle von «This Flight Tonight» muss man aber dazusagen, dass die beiden Versionen musikalisch so gut wie nichts miteinander zu tun haben, sodass selbst eingefleischte Joni-Mitchell-Fans Schwierigkeiten hatten, herauszuhören, dass es sich um ein und denselben Song handelte. Anhaltspunkte liefern allenfalls der Text, sofern man den im Ohr hat, oder auch einzelne Melodiefetzen. Aber ansonsten haben die Mannen von Nazareth da ganze Arbeit geleistet, um den ursprünglichen Folk-Song, der nur mit einer akustischen Gitarre begleitet ist, in eine veritable Hardrock-Nummer umzuwandeln. Well done, mates! Alle Achtung, darauf muss man erst mal kommen. — «Blue» war bereits das vierte Album der Kanadierin, deren Geburtsname auf Roberta Joan Anderson lautet und die als Zehnjährige an Kinderlähmung erkrankte. Daher rührt auch ihre Vorliebe für offene Gitarrenstimmungen, die es ihr erlauben, trotz der verbliebenen Bewegungseinschränkung ihrer linken Hand interessant klingende Akkordfolgen spielen zu können. Der Nachname Mitchell stammt aus ihrer ersten Ehe mit dem Folksänger Chuck Mitchell, die jedoch schon nach drei Jahren wieder geschieden wurde. Bevor sie Mitchell kennenlernte, hatte sie bereits eine Tochter zur Welt gebracht. Aber mittellos, wie sie war, sah sie sich nicht in der Lage, für das Baby sorgen zu können, und gab es zur Adoption frei. Nach ihrer Scheidung behielt sie den Nachnamen Mitchell bei und tingelte als Folksängerin zwischen Kanada und den USA hin und her. Schließlich landete sie, wie so viele, in New York, wo sie mitunter die Bekanntschaft von Leonard Cohen und Bob Dylan machte. — Trotz einer stetig anwachsenden Fangemeinde und guten Szenekontakten – Dylans Manager Albert Grossman machte ihr sogar einen Heiratsantrag – gelang es ihr nicht, einen vernünftigen Plattenvertrag an Land zu ziehen. Ein Angebot des Folk-Labels Vanguard, bei dem auch Folk-Queen Joan Baez unter Vertrag stand, schlug sie aus, weil sie sich nicht «versklaven» wollte. Immerhin konnte der Gitarrist Al Kooper, der sich durch sein genial-dilettantisches Orgelspiel bei Bob Dylans «Like A Rolling Stone» einen Namen gemacht hatte, ihr dazu verhelfen, dass ihr Song «Both Sides, Now» von der angesagten Folksängerin Judy Collins aufgenommen und als Single veröffentlicht wurde, die zum einzigen Top-Ten-Hit ihrer Karriere werden sollte. Joni Mitchell selbst veröffentlichte das Stück erst auf ihrem zweiten Album «Clouds», für das sie 1970 den Grammy für die beste Folk Performance erhielt. Es war ihr erster, dem noch sechs weitere folgten.
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