27.08.2023 – News – FAZ online – Tom Schulz — – Details
Bert Papenfuß
Wer dem Dichter Bert Papenfuß begegnete, traf auf einen in schwarzes Leder gekleideten Rocker mit Seemanns-Shirt, der, wie es sich für einen Norddeutschen gehört, kein großer Freund des Smalltalks war. Man blickte in ein bärtiges Gesicht, klare Augen sahen einen mitunter fragend an. Es war Skepsis und Wärme gleichermaßen, Distanz und Nähe; vielleicht auch manchmal die Pose eines Revoluzzers, eines sich verweigernden Einsiedlers. Doch eigentlich war Bert Papenfuß ein Vorsänger für eine Gemeinde urbaner Spezialisten, die sich in untergründigen und widerständigen Aktionen vereinten. Er war ihr Textdichter und anarchistischer Korrepetitor. — Und er war noch mehr: Punkdichter und Seeräuber im Geiste von Klaus Störtebeker. 1956 im mecklenburgischen Stavenhagen geboren, wuchs er in ein Land hin ein, das, wie Heiner Müller es formuliert hat, «Krieg führte gegen lange Haare, Jeans und Jazz». Der junge Papenfuß lernte früh zu rebellieren gegen Schule und Elternhaus, sein Vater, ein hoher NVA-Offizier, wurde ihm zum Abbild des Angepassten und Systemtreuen. Als Papenfuß den Wehrdienst verweigerte, musste er als Soldat in die berüchtigte «Baukolonne». Als er in den Siebzigerjahren nach Ostberlin kam, war dies der Ort des künstlerischen Undergrounds, der subversiven Biotope. Wer damals seine Gedichte in einem der Jugendclubs hörte, wusste sofort, dass hier ein früh Genialischer seine Kreise zog: «ich bin ein revolver / & gehör in jedes bett / schwaden schwarzen blutes / stocken über den eingeweiden.» Seine Gedichte waren düster, politisch, kühl und sprachspielerisch; sie erschienen vor allem im Samisdat, in Zeitschriften, die Namen wie «Schaden» oder «Ariadnefabrik» trugen und in oppositionellen Kreisen zirkulierten. — In dieser Zeit entstand die Legende von der Prenzlauer-Berg-Szene. Zusammen mit Stefan Döring, Sascha Anderson, Ulrich Zieger, Eberhard Häfner und Jan Faktor war Papenfuß einer derer, die bald auch in der Bundesrepublik Interesse weckten, die, so schien es, anders waren als ihre westdeutschen Kollegen: unangepasst, wild und avantgardistisch. Bert Papenfuß, der Verlaine der Ostberliner Arbeiterbezirke, wurde schnell ein Star. Die in der DDR hoch angesehenen Autoren Volker Braun und Karl Mickel priesen ihn und bescheinigten ihm, «ein Meister nicht syntaktischer Grammatik» zu sein. Seine Texte trafen den Zeitgeist, lässig und cool: «ich hab mich / fon der zeit / ferspottet gefuehlt // jede zeit ferspottet jeden augenblikk / jede zeit ferspottet jede uhr / jede uhr ferspottet jeden augenblick // jede uhr isn zeitzuender.» Papenfuß schrieb so, wie nonkonform gesprochen wurde. Sein Ruf verbreitete sich schnell bis zu Suhrkamp nach Frankfurt. Und bis Wien: Bereits vor Erscheinen seines ersten Lyrikbandes «dreizehntanz» (1988) im Aufbau-Verlag konstatierte Ernst Jandl: «Nur des unbeschränkt verbreitbaren Buches bedarf es noch, um Bert Papenfuß-Gorek als einen Dichter ersten Ranges sichtbar zu machen.»
SK-reko-23news