14.10.2023 – le week-end – Ö1 – Elke Tschaikner und Christian Scheib — – Details
Palästinensische Familie
Zwei Original Vinyl-Schallplatten aus 1957 respektive 1964 sind in diesem «le week-end» wiederzuentdecken: Das Debütalbum des Chamber Jazz Sextet rund um den Komponisten und Pianisten Allyn Ferguson. Er und sein Sextett finden einander im San Francisco der späten 50er Jahre und die jungen, studierten Musiker haben Ambitionen. Die Intellektualität des europäischen Erbes und der Swing des Jazz müssen doch auch zusammengehen können, denken sie, so wie viele andere in diesen Jahren auch. Aber das kurzlebige Ensemble «The Chamber Jazz Sextet» – es existierte nur drei kurze Jahre Ende der 50er – fand eine bemerkenswert swingende Antwort auf diese selbstgestellte Herausforderung. — Die zweite LP-Rarität ist ein Album der legendären Pianistin und Sängerin aus New Orleans Sweet Emma Barrett mit ihrer Preservation Hall Jazz Band. — Einmal also intellektueller Westcoast-Jazz in bewusster Anlehnung an europäisch-barocke Stilformen, und dann wieder polyphon improvisierter New Orleans Jazz. — Sweet Emma Barrett, Jahrgang 1897, spielte ihr ganzes Leben lang in den Clubs ihrer Heimatstadt, erst mit über 60 gab sie ihr Plattendebüt. Lakonisch ist möglicherweise die treffendste Beschreibung des Spiel- und Gesangsstils der Autodidaktin. Staubtrockenes Klavierspiel und selbige Mimik, mit stets stoischem und doch irgendwie kokettem Blick ins Publikum singend; das zahnreduzierte Lächeln nur andeutend, während die langen Finger an langen dünnen Armen unwiderstehlich auf die Klaviertasten niedergehen; am Kopf oft eine Art Wollmützenhut mit Glöckchen, um das Schienbein einen Schellenring gebunden, beides als Schlagzeugersatz. «Bell Gal», das Glockenmädchen, wurde sie aufgrund dieser Ausrüstung auch genannt. Emma Barrett, die sich Sweet Emma nennt, definiert das Attribut «süß» bemerkenswert selbstbewusst und unverspielt. Die Bandleaderin weiß, was sie will, und vor allem auch, was sie nicht will. «I ain›t gonna give nobody none of this jelly-roll» singt sie. Hier wird mit niemandem nichts geteilt. Weder Jelly Roll als Süßspeise noch Jelly Roll in ganz anderer, sexuell konnotierter Slang-Bedeutung: «My Jelly Roll is sweet and it can›t be beat, I know you want it, you can›t have it, ain›t gonna give you none.»
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