23.05.2021 – Tonspuren – Ö1 – Julia Reuter, — – Details
Karl-Markus Gauß
«Seit Jahren versuche ich Lieder zu schreiben, die einem Drama von Shakespeare ähneln», so Bob Dylan in einem Interview 2015. Im selben Jahr wurde er mit dem «MusiCares Person of the year 2015 Award» ausgezeichnet. In seiner Dankesrede meinte er, dass er seine Lieder als Mysterienspiele betrachte, nämlich solche wie sie William Shakespeare in seiner Jugend gesehen haben könnte. «These songs of mine, I think of as mystery plays, the kind that Shakespeare saw when he was growing up. I think you could trace what I do back that far». Wieviel Shakespeare steckt im Werk von Bob Dylan?
Der deutsche Literaturwissenschafter Heinrich Detering hat sich damit in seinem Buch «Die Stimmen aus der Unterwelt. Bob Dylans Mysterienspiele» befasst. Im Mittelpunkt steht vor allem das Spätwerk Dylans, beginnend mit dem 2001 erschienenen Album «Love and Theft». — Bob Dylan verwebt in seinen Liedtexten sehr viel Weltliteratur, von Petrarca über Bertolt Brecht bis hin zu den Beatniks. William Shakespeare, so Heinrich Detering, sei aber die wichtigste Quelle für Dylan. Schon in seinem Frühwerk hat der Musiker Shakespeare-Figuren in seine Texte eingebaut («Desolation Row»; 1965) oder den englischen Barden persönlich auftreten lassen («Stuck inside of mobile with the memphis blues again»; 1966). 2012 veröffentlichte Bob Dylan sein Album «Tempest», eigentlich ein eindeutiger Bezug auf «The Tempest/Der Sturm», dem vermutlich letzten Werk Shakespeares. Allerdings erzählt Dylan im Titelsong auch vom Untergang der RMS Titanic. Handelt es sich dabei um einen Gegenentwurf zum Beginn von «Der Sturm»? Die TONSPUREN gehen den Shakespeare-Bezügen in Dylans Werk auf den Grund.
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