13.04.2023 – News – taz online – Bernhard Clasen — – Details
Wolodimir Selenskyj
Das Video über die mutmaßliche Enthauptung eines Ukrainers sorgt für breites Entsetzen. Auch Russland verspricht eine Untersuchung des Falls.
Ein Mann liegt auf dem Boden. «Es tut weh», sagt er – es sind seine letzten Worte. Dann trennt ihm ein Maskierter mit einem Messer den Kopf ab. Im Hintergrund sind Schreie zu hören. Ein anderer Mann sagt über Funk oder Telefon: «Jungs, wir sind bei der Arbeit … schneide schon … was, noch nie einen Kopf abgetrennt?» Das Video zeigt die Enthauptung eines Mannes mit ukrainischen Hoheitszeichen. Die maskierten Uniformierten sind als russische Besatzungsgruppen erkennbar. Von wann das Video stammt, ist unklar. Sehr grüne Blätter im Hintergrund lassen aber vermuten, dass es eher zu sommerlicher Jahreszeit aufgenommen wurde. Seit Dienstag geistert das Video durch verschiedene Telegram-Kanäle und hat seither für breites Entsetzen gesorgt. — «Ich habe seit Jahren, vor allem aber seit dem 24. Februar 2022 viel mit Menschenrechtsverletzungen von russischen Militärs, mit Vergewaltigungen, Gewalt und Morden zu tun. Aber dieses Video hat sogar mich schockiert», berichtet Tamila Bespala, Rechtsanwältin der Menschenrechtsgruppe Charkiw, gegenüber der taz. «Und das ist erneut ein Beweis dafür, dass wir es mit einem Genozid zu tun haben.»
Der ukrainische Präsident äußerte sich ebenfalls zu dem Video. Das sei leider kein Einzelfall, kommentierte Wolodimir Selenski. «Wir hatten das in Butscha. Wir hatten so etwas tausende Male. Wir vergessen nichts. Wir werden den Mördern nicht verzeihen.» Auch Menschenrechtsanwältin Bespala sagt: Was in Butscha und Irpen passiert sei, sei bekannt. «Doch das Ausmaß an Vergewaltigungen und Folter, was wir aus den Orten im Gebiet Charkiw wissen, die einige Monate besetzt waren, übersteigt noch um einiges die Verbrechen von Butscha und Irpin», sagt sie. — Kein Wunder also, dass derartige Verbrechen den Hass auf Russland und die Russen in der Ukraine weiter schüren. Die Hinrichtung zeige, so der ukrainische Journalist Denis Kasanki auf gordonua.com, dass die russischen Militärs «Abschaum der menschlichen Rasse» seien. — Vor dem Hintergrund des Videos forderte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba den Ausschluss Russlands aus den Vereinten Nationen. Nun werde man das Enthaupten von Gefangenen nicht mehr mit der islamistischen Terrormiliz IS, sondern mit der russischen Besatzungsarmee assoziieren, sagte Ilja Baravanow vom russischen Dienst der BBC. Und für Petr Andrjuschenko, Berater des Bürgermeisters von Mariupol, ist klar, dass es nun gelte, «die russische Pseudokultur vollständig zu vernichten». — Auch Russland äußerte sich: «Das ist in der Tat ein schreckliches Filmmaterial», erklärte Dmitri Peskow, Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin. Aber man müsse zunächst prüfen, ob das Material echt sei. Am Donnerstag kündigte die russische Staatsanwaltschaft denn auch eine Untersuchung an. Das Video sei an Untersuchungsbehörden weitergeleitet worden, um die «Echtheit des Inhalts» zu prüfen und eine «angemessene» Schlussfolgerung» ziehen zu können, teilte die Generalstaatsanwaltschaft via Telegram mit. Die vorläufige Untersuchung kann in ein formelles Ermittlungsverfahren münden, zwangsläufig ist dies aber nicht.
SK-reko-23