01.04.2023 – News – Südfd – Lena Kampf — – Details
Gavin Wilde
US-Forscher Gavin Wilde glaubt nicht an einen Erfolg von Putins Desinformationskampagne. Und er erklärt, welche Katastrophenszenarien Experten für möglich halten.
SZ: Hat der Westen die russischen Fähigkeiten im Cyberkrieg überschätzt?
Gavin Wilde: Nicht so sehr Russlands Fähigkeiten wurden überschätzt, sondern aus meiner Sicht eher der Effekt von Cyberangriffen, wenn bereits Bomben fallen. In Zeiten relativen Friedens können Russlands Attacken katastrophal sein. Aber im Krieg fallen sie nicht mehr so auf. Und trotz der Vielzahl an Störungen ist bisher nicht erkennbar, dass damit militärische Ziele erreicht werden. Im Krieg wird eine Bombe immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, und das sehen wir gerade.
(…) — Warum könnten die russischen Propagandaaktionen ins Leere laufen?
Wenn man sich Russlands Doktrin und Strategien des Informationskriegs in den vergangenen Jahrzehnten anschaut, dann ist das große geopolitische Ziel, ganze Gesellschaften nach Moskaus Willen zurechtzubiegen. Natürlich können die Cyberangriffe zerstörerisch sein, die Frage ist aber, ob sie entscheidend sind. — Sie sagen, sie sind nicht entscheidend?
Ich bezweifle nicht, dass sie gewisse Auswirkungen haben. Aber es ist unklar, ob russische Propaganda tatsächlich Menschen beeinflusst oder eher bereits existierende Haltungen verstärkt. So sehr wir es auch moralisch befriedigend finden, Russlands Desinformationskampagnen zu enthüllen und zu kritisieren: Wir riskieren damit, Russlands Fähigkeiten größer zu machen, als sie tatsächlich sind. Es gibt neben diesen Kampagnen viele andere Faktoren, die eine Rolle spielen können. Im Fall der Ukraine zumindest ist es nach hinten losgegangen. Da haben Cyberangriffe und Propaganda die Gesellschaft zusammengeschweißt, obwohl Russland es darauf angelegt hatte, sie auseinander zu treiben.
SK-reko-23