26.01.2023 – Round Midnight – NDR Kultur – Thomas Haak — – Details
Stéphane Grappelli
Als ich Stéphane Grappelli im Frühsommer 1989 zum Interview traf, saß er auf einem weissen Stuhl inmitten des Gartens seines Hamburger Hotels – vor ihm ein grünes Ensemble aus Bäumen und Büschen. Nie zuvor war ich einem Menschen begegnet, der so intensiv dem Gesang der Vögel lauschte. Der legendäre Weggefährte Django Reinhardts blickte empor, lächelte, blickte wieder herab und lauschte weiter. Plötzlich hob er den rechten Arm, deutete auf einen Busch am Rande des Rasens und sagte: «Der da hinten ist gar nicht so schlecht!» — Ähnlich verschmitzt ging es während unseres anschließenden Gesprächs weiter. Ganz Gentleman der alten Schule, entschuldigte er sich mehrfach für sein schlechtes Englisch («Mein Schneider ist reich, mein Englisch hingegen sehr arm»), riss ein Witz nach dem anderen («Verstehen Sie, was ich sage? Ich jedenfalls verstehe mich sehr gut…») und erwies sich zudem als eine der charmantesten und unprätentiösesten Musikerpersönlichkeiten, die mir in meinem Journalistenleben je begegnet sind. — Beim abendlichen Konzert in der Fabrik präsentierte sich der seinerzeit 81-jährige Geiger samt junger Band leichtfüßig swingend und voller ungebremster Spielfreude. Bereits tags darauf ging es weiter in die USA, danach nach Australien – mit einem dichtgepackten Tourplan, den so manche junge Rockband hätte verweifeln lassen. Und mir wurde klar: In Gestalt des Gypsy-Swing-Miterfinders und musikalischen Partners von Koryphäen wie Duke Ellington, Dizzy Gillespie und Yehudi Menuhin hatte ich einen der ganz Großen getroffen.
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