17.01.2023 – News – Süddeutsche Zeitung – Vivien Timmler — – Details
Henry Kissinger
Der frühere US-Außenminister schlägt vor, die Front entlang der Vorkriegslinien einzufrieren – und spricht sich überraschend für einen Nato-Beitritt der Ukraine aus.
Er fühlt sich nicht verstanden. Und das obwohl alle an Henry Kissingers Lippen hängen, wenn er spricht, langsam mittlerweile, mit seinen 99 Jahren. Doch es ist kein akustisches Problem, das der ehemalige Außenminister der Vereinigten Staaten und große Diplomatie-Erklärer anspricht, es ist ein inhaltliches. «Letztes Jahr habe ich erklärt, wie ich den Krieg beenden würde», sagt Kissinger. «Aber es ist nicht verstanden worden, was ich damit meinte.»
Also versucht er es noch einmal. «Ich glaube daran, dass ein Ende der Kämpfe möglich ist, wenn die Vorkriegslinie erreicht ist», sagt Kissinger bei einer Videoschalte nach Davos zum Weltwirtschaftsforum. Er meint damit den Frontverlauf entlang der 2014 von Russland annektierten Krim und der von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete in Donezk und Luhansk. Entlang dieser Linien im Donbass solle, so Kissinger, die Front eingefroren werden. Auf der Basis sei es dann möglich, einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Anschließend könne man beginnen, mit Russland über «die Lösung des Konflikts» zu sprechen, wobei die Linie im Donbass nicht automatisch das Ergebnis der folgenden Friedensverhandlungen sein müsse. «Ich bin überzeugt, dass man eine Eskalation des Krieges so verhindert.»
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